Es ist ein düsterer Herbsttag, an dem wir den baufälligen, denkmalgeschützten Getreidespeicher in Kemnath, einem kleinen Städtchen in der nördlichen Oberpfalz, das erste Mal mit den Kaufinteressenten besichtigten. Es handelt sich um den 1843 datierten Kopfbau eines U-förmig angelegten Scheunenviertels, welches nach zahlreichen Bränden in der Stadthistorie außerhalb der Stadtmauer errichtet wurde. Mit den massiven Sandsteinmauern, dem einfachen Lagergrundriss und dem offenen, sauber konstruierten Dachstuhl strahlt das Gebäude die typischen Charaktereigenschaften des Oberpfälzers aus: bodenständig – unaufgeregt – schnörkellos – nachhaltig, aber auch offen für Wandel. Das war uns sofort sympathisch und wir wussten, dass dies ein wunderbarer Ort für das Wohnen und Leben der jungen Familie werden konnte.
Nach intensiver Recherche zur Historie des Gebäudes entwickelten wir in enger Abstimmung mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege ein bauliches Konzept, welches die ursprüngliche Gestalt und das Erscheinungsbild der Scheune wieder herstellt. So wurde die innere Tragstruktur der Decke über EG mit sichtbaren Stahlprofilen wieder ergänzt. Der marode erhöhte Teil des EG-Bodens wurde durch eine Stahlbetonplatte ersetzt. Aufgrund der Lage am Flötzbach diente der abgesenkte Teil des EG als Anlieferzone. Das restl. Erdgeschoss liegt ca. 1 m erhöht, um Schutz des Getreides vor Hochwasser und Schädlingen zu bieten. Die ehemalige zugesetzte rundbogenüberspannte Toreinfahrt wieder geöffnet und bildet heute die Hauptbelichtung für den Wohnbereich und den direkten, ebenen Zugang zum Freibereich und Terrasse. Das daneben liegende neuzeitliche Fenster wurde mit Sandsteinquadern geschlossen, sodass die Giebelfassade wieder historisch korrekt erscheint. Im Dachgeschoss wurden die neuen Holzständertrennwände geometrisch so gefaltet, dass die charakteristischen Aussteifungskreuze der Dachkonstruktion als Ganzes sicht- u. erlebbar blieben. Ein Luftraum verbindet den zentralen Flur im DG optisch mit dem Essplatz im EG und wirft das Tageslicht von der Dachgaube bis tief ins EG. Die Lage der neuen, brünierten Rohstahl-Treppe wurde in einem bereits gestörten Tragwerksbereich neu definiert. Die ehemalige hölzerne Laderampe wurde durch eine Cortenstahlkonstruktion mit Eingangsfunktion ausgetauscht. An der nordöstl. Grundstücksgrenze ersetzt ein neuer Schuppenanbau mit schwarzer Alublech-Haut einen baufälligen Holzschuppen.
Der vorgefundene Schädlingsbefall der Deckenbalken und Dachkonstruktion wurden mittels Thermobehandlung ohne Materialabtrag und Chemieeinsatz beseitigt. Die Sandstein-Außenwände erhielten einen Wärmedämm-Innenputz mit Wandheizung, so dass der äußere Eindruck nicht verändert wurde. Die ehemaligen Lüftungsschlitze in der Fassade wurden mit innenliegendem, kleinem Fenster gerahmt. Der gescheibte Sichtestrich im EG und der Trockenbodenaufbau im DG erhielt zusätzl. eine Fußbodenheizung. Alle Wand- und Türoberflächen erhielten ein Finish mit Kalkglätte. Die Bauherren haben unzählige Arbeitsstunden in Eigenleistung in das Gebäude investiert und ein perfekt aufeinander abgestimmtes Innenarchitekturkonzept erarbeitet und liebevoll umgesetzt. Das Farbkonzept basiert auf Le Corbusiers „le couleurs". Den Entstehungsprozess können sie bestens dokumentiert unter instagram #die.sandsteinscheune sehen. So entstand in fußläufiger Entfernung zur Altstadt, aus einer dem Verfall preisgegebenen Scheune qualitativer Wohnraum mit einzigartigen räumlichen Qualitäten des Bestandes.