Städtebau und Blocktypus
Mit der Neubebauung des Areals am Oberanger kann München ein Stück Urbanität zurückgewinnen. Neben dem (neu-) mittelalterlich-bürgerlichen Stadtmuseum, dem Ignatz-Günter-Haus und der differenziert figurativen Gestalt des neuen jüdischen Museums wird ein formal reichhaltiger Platz bestimmt. Das Anger-Kloster mit Schule und Kirche im Süden des Platzes ist dagegen ein eher strengerer Münchner Blocktypus.
Für den großen Block zwischen Ober- und Unteranger schlagen wir einen großstädtisch- homogenen, zu den unterschiedlichen Situationen und Straßen differenziert ausgebildeten Baublock vor. In mehreren Großstädten hat sich ein solcher Typus von Baublock herausgebildet, der in den unteren Geschoßen die Straßenfluchten und den Maßstab der bürgerlichen Häuser aufnimmt und dort körperhaft und geschlossen wirkt, in den oberen Geschoßen sich linear und horizontal auflöst. Häufig werden diese oberen Geschoße für ein attraktives städtisches Wohnen genutzt. Die äußere und innere Definition dieses Blockes ist einerseits lapidar, da der Block den gegebenen realen äußeren Begrenzungen einfach folgt, andererseits komplex, da dieser von den Einflussfaktoren des Kontexts, der Nachbarschaft und des Stadtquartiers modifiziert wird: Die Ecke Oberanger-Klosterhofstraße wird baukörperlich turmartig stabilisiert. Der lange Verlauf des Dachgeschoßes am Oberanger endet mit deutlichem Abstand vor dem Gassenraum sowie dem Volumen des jüdischen Zentrums und gibt diesem „Luft" und Priorität. Die Traufe am Unteranger liegt gegenüber derjenigen der Klosterhofstraße um ein Geschoß tiefer, gegenüber der Traufe vom Oberanger sogar um zwei Geschoße. Die jeweiligen Staffelgeschosse reagieren sowohl auf die Höhen der Nachbarbebauung als auch die beabsichtigte Wirkung und Akzentuierung im Straßenraum. Das Block-Innere profitiert vom strengen Rand durch einen großen Hof, der den äußeren Linien entsprechend eine konische (fast barocke) perspektivische Form hat. Zusammen mit einem unaufgeregten Belag und entsprechender Bepflanzung mit kleineren, lichten Bäumen kann hier eine innerstädtische Oase entstehen, die (tagsüber) öffentlich zugänglich ist, aber dennoch privaten Schutz bietet. Für eine gastronomische Nutzung mit Außenbereich (große Distanz zum Südbaukörper) entsteht hier eine besonders geeignete Situation.
Erschließung / Typologie: Läden, Büros, Wohnen, Parken
Ein wichtiges Kriterium für ein oben (Wohnen) und unten (Büros) verschiedenartig und getrennt nutzbares Haus ist eine völlig getrennte Erschließung beider Bereiche. Um diese Erschließung effizient und sparsam zu machen, wurden je zwei Treppen in den Innenecken der Gebäude angelegt. Von den vier Ecken aus sind die funktionalen, (Erschließung und Fluchtwege) und räumlich-gestalterischen Anforderungen an die Erschließung sehr gut zu erfüllen.
Die Zugänge zu den jeweiligen Treppen erfolgen getrennt von je einer anderen Straßenseite (und damit eigener Adresse). Dazwischen liegt ein repräsentativer Raum als Laden oder für die darüber liegenden Büros als Präsentations-, Konferenz- oder Ausstellungsraum. Dort sollten auch Cafes und Restaurants liegen. Dieser Raum (der auch 2-geschoßig sein kann) übernimmt die Funktion der städtischen Ecke. Die jeweilige Erschließung (Büro / Wohnen) wird entweder ein- oder doppelgeschoßig vorgeschlagen. In den oberen Stockwerken verbinden sich die beiden Treppen zu einer längeren Treppe, die so das obere Ende und damit die Veränderung der Treppenläufe kennzeichnet.
Die Büros sind als modifizierter 2- bzw. 3-Bund ausgeführt, d.h. auf die ganze Länge sind alle Nebenräume linear so verteilt, dass eine Seite des Flurs die variablere und die andere die stabilere Zone darstellt. Dieser in vielen Fällen (bei Groß und Kleinvermietung) sehr bewährte Typus kommt ohne Doppelflur aus und schafft günstige räumliche und funktionale Voraussetzungen für unterschiedliche Bürogrößen. Für die Nebenräume werden so keine hochwertigen Positionen an den Außenfassaden benötigt.
Die Wohnungen liegen jeweils in den oberen beiden Geschoßen, so dass alle Wohnungen als Dachterrassenwohnungen ausgebildet werden. Nach Süden und Osten liegen die Wohnungen im 4. und 5. OG, im Westen und Norden im 5. und 6. OG. Dadurch ergibt sich im Übergang (zum Angerkloster) ein Bereich mit drei Wohngeschoßen und im Süden (Klosterhofstraße) ein eingeschossiger Wohnbereich. Sämtliche Wohnungen haben durchgehende Terrassen. Alle großen Wohnungen erhalten einen belichteten Wohn-Eßbereich mit großzügigem und geschütztem Außenbereich; Schlafbereiche sind durchweg mit eigenen, meist hellen Bädern ausgestattet; je ein Zimmerbereich nahe dem Eingang erhält separates WC bzw. Dusche (auch bei kleineren Wohnungen). Die Module der ca. 75 m² Einheiten (Alternativen) sind nachgewiesen und können kombiniert werden (Hauptvorschlag). Bei größeren Längen der Treppenflure kann am Flurende ein Oberlicht angeordnet werden. Die Wohnungen erhalten große Abstellräume anstelle von Abstellräumen im Keller. ( Bei Bedarf optional in UG 1 ).
Gestaltmerkmale
Übergeordnetes Thema für die Gestalt des Hauses und seiner Fassaden ist die städtische Typologie sowie ihre Mentalität im Sinne eines „Münchener Blocks"! Als Fassadenmaterial wird Keramik vorgeschlagen. Diese Oberfläche lässt Assoziationen der Gebäudefassade zu anderen Bauten in München (Maximilianstraße, Postamt Sonnenstraße, OFD-Gebäude) und solcher im Süden Europas zu. Gleichzeitig ist es prädestiniert für eine Gliederung und Verfeinerung der Fassade. Wegen der großen Widerstandsfähigkeit von Keramik (Materialbeschaffenheit wie Klinker) kann man auf Abdeckprofile verzichten. Die vorgesehene vertikale Fassadengliederung hat ein minimales Strukturmaß von 62,5 cm (Vielfaches: 125 cm/187,5 cm /250 cm), d.h. es ist auch eine relative Kleinteiligkeit (insbes. beim Wohnteil) möglich. Das Fassadenraster wird nicht nur als Bindung bei der Grundrißbildung verwendet, sondern auch spielerisch beim Entwurf des Fassadenbildes angewandt: so überlagern die klein geteilten Stützenelemente die größeren Rasterelemente von 125 cm bzw. 250 cm. Dadurch entsteht ein linear-flächiges Fassadenspiel. Durch die Farbigkeit werden die jeweiligen Bereiche: Oberanger / Klosterhof (Betonung Block - rötlich) und Unteranger / Neue Gasse am Jüdischen Zentrum (sandfarben bis hellocker) nochmals differenziert.
Schwarz-weiß bzw. grau werden für Sockel bzw. Dachzonen vorgeschlagen. Als Fassadenelemente werden unten (Büro, Läden) dünnsprossige, dunkle Metallfenster (teilweise durch Keramikprofile verdeckt) verwendet; in den Wohnbereichen können Holzfenster (z.B. Eiche natur oder grau gestrichen) verwendet werden. Im Inneren sind Treppenräume und Flure farbig herausgearbeitet. Verfeinerte Keramikteile sollen in Boden-, ggfs. teilweise Wandbelägen wiederkehren.
Haustechnik
Alternativ zu den in der Auslobung geforderten abgehängten Decken werden für die Büroebenen offene Stahlbetonflachdecken mit integrierter Betonkernaktivierung vorgeschlagen. Die zu erwartenden inneren Wärmelasten werden somit mit geringem Energieaufwand auf das nötige Maß reduziert und ermöglichen gleichzeitig höhere Büroräume.
Das durch die Rohrregister in den massiven Betondecken zirkulierende Wasser nimmt in der warmen Jahreszeit die überschüssige Raumwärme über die Betondecke auf, in der kalten Jahreszeit erfolgt über das System eine Grundtemperierung der Räume.
Im Kühlfall wird zur Bereitstellung von gekühltem Wasser auf eine konventionelle Kälteerzeugung verzichtet, auch sind keine Rückkühlwerke, die üblicherweise auf Dachflächen angeordnet werden, vorgesehen. Stattdessen wird die Bodenplatte der Tiefgarage aktiviert, indem auch hier Rohrregister integriert werden. Da sich die Bodenplatte im Grundwasserbereich befindet, lässt sich mit Hilfe der Erdkälte die Bodenplatte als natürlicher Wärmetauscher nutzen.