Zeitgenössische Architektur in Bayern

Mit designfunktion zu USM, Porsche und der Burda-Sammlung

Rennwagen Spyder von 1969
Die Arbeitsplätze der Verwaltung
Richard Meier für Burda - Blickbeziehung nach Aussen
Das Einrichtungshaus designfunktion hatte zu einer Exkursion nach Baden eingeladen. Unser Ziel waren der Deutschlandsitz des Schweizer Möbelherstellers USM, die Besichtigung des Porsche-Museums in Zuffenhausen sowie der Besuch der Frieder Burda-Sammlung in Baden Baden - einer der bedeutendsten Privat-Sammlungen Europas! Trotz Wiesn, Expo Real und der zwingend darauf folgenden Grippewelle waren wir 34 Personen und füllten in unserem luxuriösen Reisebus nahezu jeden Platz. Die Fahrt nach Zuffenhausen vergeht - beschäftigt mit der Vorstellung des Programms durch Samir Ayoub (GF designfunktion), dem Lunchpaket, welches wir bekommen hatten und der Board-Bibliothek - wie im Flug. Leider scheint in Zuffenhausen nicht die Sonne, sodass der große weiß-silberne Baukörper des Porschemuseums etwas blass wirkt. Die Führung über Kopfhörer ist sehr informativ und auf Architekten ausgerichtet; die junge Frau berichtet von den Schwierigkeiten, die es bei der Umsetzung des Entwurfs der Wettbewerbssieger Delugan Meissl aus Wien gab.

Die Architekten hatten ihren Bau, der an ein Flugzeug erinnern soll, statisch als Kuppel geplant. Das verantwortliche Ingenieurbüro stellte jedoch fest, dass diese Konstruktion nicht möglich sei und rechnete sie als Stahltragwerk im Verbund mit Ortbetondecken. Die Raumfachwerkkonstruktion des Museums ist auf 3 Kernen mit insgesamt 5 vertikalen wie schrägen Stützen gelagert. Auch die Fassade konnte natürlich nicht, wie gewünscht, fugenlos ausgeführt werden und hat nun eine Verkleidung aus rautenförmigen weiß beschichteten Aluminiumelementen, an der Untersicht sind sie aus hochpoliertem Edelstahl und spiegeln die Besucher, die unter ihr zum Eingang laufen. Die enorme 22 Meter tiefe Auskragung wirkt dadurch nicht bedrohlich, sonder tatsächlich schwebend.

Das Innenraumkonzept sah eine reinweiße Gesamterscheinung vor, doch an der Idee den Ausstellungsstücken mit einem weißen fugenlosen Boden optimale Wirkung zu verleihen, ist man leider gescheitert. Zu große Platten eines, an weißen Carrara-Marmor erinnernden Kunststeins, sind - obwohl schwimmend gelagert - gebrochen und müssen nun sukzessive ausgetauscht werden. Das Ausstellungskonzept von HG Merz (www.hgmerz.com), welches als erstes existierte und worauf die Wettbewerbsteilnehmer ihre Entwürfe aufbauten, sah eine teils kreisförmige Durchwegung vor, die im Gebäude aber nicht recht zu erkennen ist. Die Szenografie des Porsche-Museums vom Atelier Brückner ist gut gelungen, ruhig und übersichtlich. Man geht über einen leicht geneigten Boden stetig bergauf, die wunderschönen Porsches stehen mal hinter-, mal nebeneinander und die „Querdenker", also die herausragenden Innovationen stehen quer zum Weg. Auf die wohl spektakuläre Dachterasse durften wir leider nicht; sie ist geschlossenen Gesellschaften, die das dafür konzipierte Lokal mieten, vorbehalten. Nach einer Stärkung im öffentlichen Restaurant des Museums (welches offensichtlich vom Betreiber gestaltet wurde) geht es wieder in den Bus Richtung Bühl.

Im kleinen und reichen Bühl sitzt die Deutschlandfiliale von USM - benannt nach Ulrich Schärer, der im Ort Münsingen bei Bern 1885 seine Eisenwarenhandlung und Schlosserei gründete. Somit ist das heutige Unternehmen USM U. Schärer Söhne A.G. bereits stolze 125 Jahre alt. Ganz ähnlich wie bei Porsche ist es ein Familienunternehmen, in welches die nachfolgenden Generationen jeweils ihre Innovationen einbrachten und damit den großen Erfolg begründen. Paul Schärer jun. trat 1961 in die Firma ein und das Unternehmen florierte derart, dass eine Erweiterung der Gebäude notwendig wurde. Er traf zu dieser Zeit auf Fritz Haller und beauftragte ihn mit dem Bau des Verwaltungsgebäudes in Stahlskelettbauweise. Dieses damals extrem innovative Hallenbausystem mit Fachwerkträgern in den Größen Mini, Midi und Maxi wurde von da an von USM erfolgreich vermarktet. Für den eigenen Bedarf brauchte man nun aber auch flexible Möbel. Schärer und Haller entwickelten zusammen eine Büromöbelserie, die ähnlich wie das Hallenbaustystem aus Stahl, extrem flexibel und demontierbar sein sollte. 1965 war die Geburtsstunde der eleganten und unverwüstlichen USM Haller-Möbel. Faszinierend dabei ist, dass die berühmte Verbindung der Stangen in Kugelform, so wie sie noch heute verwendet wird, vom ersten Tag an existierte. Ein System, dass seit 45 Jahren keiner Innovation bedarf!

Als die Rothschild Bank kurze Zeit später nach modernen und praktischen Möbeln für ihren Firmensitz in Paris suchte, stießen sie auf die USM Haller-Möbel und wollten diese kaufen. Es existierten aber keine Preise. So rechnete Schärer flux den Kilopreis eines VW Käfer (den Stahlanteil) aus und berechnete seine Möbel ebenso zu 4 Franken pro Kilo. Wieviel Kilo USM Rothschild kaufte, haben wir nicht erfahren, aber es müssen einige gewesen sein. Die Abbildungen von der Einrichtung bei Rothschild sind sehenswert: alles aus USM und alles in gelb! 1992 gab man den Vertrieb der Hallenbausysteme dann auf, und konzentrierte sich auf das erfolgreiche Möbelbausystem. Heute leitet die vierte Generation das Unternehmen und es gibt Dependancen in New York, Tokio, Paris, Berlin, Hamburg und Düsseldorf. USM ist in 40 Ländern mit 410 Vertriebspartnern vertreten und hat 2008 über 7 Mio. Kugeln verkauft.

Das alles erfahren wir am ersten Tag unseres Besuchs bei USM in Bühl. Am nächsten Tag erwartet uns die Besichtigung des Werkes, in dem alle in Deutschland verkauften Möbel zusammen gebaut werden. Doch vorher geht es erst einmal ins Hotel, ein luxuriöses Hotel im Herzen Baden Badens. Hier entsteht das Gruppenfoto auf der Treppe. Die Geschäftsführerin von USM begleitet uns an diesem Abend und hat auch das Restaurant ausgewählt, in dem wir hervorragend essen: ein Tarte aus Tomate und Mozzarella mit Basilikum und Parmaschinken, danach Zander- oder Rinderfilet mit lila Kartoffelpüree und Zuckerschoten mit Safranschaum bzw. grünen Bohnen und Portweinjus. Das Dessert habe ich ihnen fotografiert. Der Geschmack war so wie es aussieht, nein eigentlich besser! Einige gehen dann ins Casino, wie es sich gehört in Baden Baden, die anderen trinken an der Bar im Hotel einen Gute-Nacht-Drink und hören dabei live Loungemusik. Angenehm erschöpft von dem ereignisreichen Tag legen wir uns in raschelnde Fünf-Sterne-Betten.

Am nächsten Morgen geht's leider weiter - wir sind uns einig: wir wollen hier bleiben. Die Sonne scheint, es ist warm, ein prachtvoller Herbsttag! Baden Baden so vornehm, grün und unaufregend - nach hektischen Wiesn- und Messezeiten eine wahre Wohltat.

Doch auch bei USM fühlen wir uns wieder sehr wohl. Heute hören wir die Firmenphilosophie in Bezug auf Nachhaltigkeit - ein Thema, welches man zunächst bei Möbeln nicht erwartet, aber welches sich als enorm naheliegend herausstellt: alle Teile werden aus recyceltem Stahl gefertigt, alle Möbel sind mit sich selbst austauschbar, sodass man eine verkratzte Front nach hinten schrauben kann, abgegebene Möbel werden auf dem „Gebraucht-Markt" zu 75% wieder verkauft und wird tatsächlich einmal ein USM-Möbel entsorgt, wird auch das wieder zu 100% recycelt. Die Abwärme der Lackbrennerei wird zum heizen genutzt, und auf Verpackung beim Transport wird so gut wie komplett verzichtet. Das Gebäude - natürlich auch von Fritz Haller, wurde im vergangenen Jahr energetisch saniert und bitet nun den Mitarbeitern in Verwaltung und in den Montagehallen einen zeitgemäßen Komfort bei niedrigstem Energieverbrauch. Die Größzügigkeit durch Deckenhöhe und Glasfassade erzeugt eine extrem angenehme Arbeitsatmosphäre. Und der Schall ist kein Problem im Großraumbüro: da muss man nur ein paar der USM-Möbel mit Akustikelemten ausstatten, dann passt auch das. Nach dem Mittagsimbiss bei USM sucht sich noch jeder schnell sein Lieblingsmöbel aus und lässt sich bei den vielen Möglichkeiten von Jürgen Dornberger beraten, der in Süddeutschland für den Vertrieb zuständig ist.

Dann geht die Reise weiter zu unserer letzten Station: dem Privatmuseum von Frieder Burda, dem älteren Bruder des Hubert Burda, der über eine beachtliche Sammlung an moderner Malerei verfügt. Konzept des Hauses ist, regelmäßig Sonderausstellungen zu zeigen, die von Einzelwerken, die in der Sammlung vorhanden sind, inspiriert werden. Wir bekommen eine Führung durch die aktuelle Joan Miró Ausstellung und können uns dabei das Innere des Richard Meier-Baus anschauen. Schön ist die Lösung die Besucher über lange Rampen durch das Gebäude zu führen, so findet der Wechsel zwischen den Geschossen fast unmerklich statt. Auffällig ist auch die Menge an Tageslicht und die vielen Blickbeziehungen nach Außen, die für ein Museum außergewöhnlich sind. Das Gebäude liegt - als Kubus konzipiert und mit den Meier-Typischen weißen Fassadenplatten verkleidet - als skulpturale Form eingebettet in einen alten Park. Selbst wenn einem die aktuelle Sammlung nicht gefallen sollte, ist das Gebäude selbst unbedingt eine Reise wert.

Voll mit Eindrücken, Ideen und Inspirationen treten wir die Rückfahrt an. Es gibt nun vier Stunden Zeit über das Erlebte zu reden, Adressen auszutauschen, die nächste Exkursion zu planen und weitere Pläne zu schmieden. Auch für das eigene Büro, welches schon lange eine neue Heimat für die sich häufenden Aktenordner benötigt. Gut, dass wir wissen, wo man in München USM bekommt...

Fotos und Text Regine Geibel
Regine Geibel

„Neben meiner redaktionellen Tätigkeit plane ich unter dem Namen STUDIO REGINE GEIBEL ökologische Holzhäuser im Alpenraum und Ferienhäuser in Südeuropa; unter dem Namen 8 SENSES berate ich - zusammen mit Maren Boettcher - Hotels bzgl. Design-Refresh, Usability, Akustik, Beleuchtung“

Regine Geibel

Gründerin und Chefredakteurin