Zeitgenössische Architektur in Bayern

Massimiliano Fuksas bei den Seismographen der Architektur

Massimiliano Fuksas | © Stefanie Graul Massimiliano Fuksas | © Stefanie Graul
Im Rahmen des Symposiums in der Akademie der Bildenden Künste sprach Jochen Paul mit Massimiliano Fuksas über Skizzen, Skulptur, Architektur und die nahe Zukunft.

Jochen Paul:
Nachdem ich eben Ihren Werkvortrag gesehen habe: Wie groß ist der Einfluss der ersten Skizze auf das Endergebnis?


Massimiliano Fuksas:
Das ist von Projekt zu Projekt ganz unterschiedlich: Mal nimmt sie den endgültigen Bau fast 1:1 vorweg, mal hat sie mit dem realisierten Ergebnis fast nichts mehr zu tun. Skizzen sind zwar noch keine Architektur, aber sie helfen mir, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Jedenfalls sind sie fast immer sehr groß – manchmal sind es eher schon Gemälde.

Welche Bedeutung hat moderne Skulptur für Ihre Architektur?

Wenn Architektur nicht skulptural ist, ist sie keine Architektur. Dabei muss Skulptur nicht organisch oder biomorph sein, sie kann auch rechtwinklig sein. Nehmen Sie Michelangelo – ohne dass ich mich mit ihm vergleichen will: Er war Bildhauer (er konnte zwar auch fantastisch malen, aber er mochte die Malerei nicht und hat sie nur als Auftragsarbeit betrieben), und als Architekt hat er die Biblioteca Laurenziana oder den Palazzo Farnese als Skulpturen entworfen. Das ist bis heute nicht anders – denken Sie an Frank Lloyd Wrights Guggenheim Museum in New York oder Jørn Utzons Sidney Opera House.

Wenn Sie Ihre Arbeiten zusammenfassen müssten: Worin besteht ihre Gemeinsamkeit?

Das ist eine typisch deutsche Frage: Weil Fuksas so unterschiedlich baut, und wir ihn beurteilen müssen… Also: Ich habe mein ganzes Leben lang versucht, so zu bauen, dass man mich nicht kopieren kann – was mir nicht wirklich gelungen ist, ich wurde oft kopiert. Im Ernst: Ich versuche stets etwas Einzigartiges zu schaffen, mit jedem Auftrag auf’s Neue. In jedem Fall widerstrebt es mir, ein Gebäude einzig auf seine Fassade zu reduzieren; es geht um Maßstab, Proportionen, Zwischenraum und vor allem um Spannung. Reiner shape bedeutet mir nichts.

Welches Gebäude war Ihre größte Herausforderung?


Alle, jedes auf seine Art und Weise.

Und welches hat Ihnen am meisten Spaß gemacht?

Immer das nächste.

Welches Gebäude möchten Sie unbedingt noch bauen?

Eine Stadt der Liebe, deren Bewohner sich gegenseitig respektieren.

Was kann Architektur dazu beitragen?

Weniger Platz für Autos, dafür mehr Plätze, um sich zu treffen. Zusammen mit ein paar Bäumen wäre das schon eine recht nachhaltige Stadt…

Der Titel der Veranstaltung ist „Seismographen der Architektur“ – auf welche Herausforderungen muss sich die Architektur in naher Zukunft einstellen?

Keine Frage, wir können nicht so weitermachen wie bisher, sondern müssen uns grundlegend verändern. Was wir brauchen, ist eine Architektur des Wandels im Umgang mit den natürlichen Ressourcen – wir haben nicht das Recht, weiterhin Raubbau an der Natur zu betreiben. Sehen Sie sich an, was 200 Jahre Kapitalismus und Konsumgesellschaft aus dem Planeten gemacht haben. Wie der Wandel konkret aussehen wird, weiß ich noch nicht, ich habe aber das Gefühl, dass er nicht mehr weit weg ist. Was wir brauchen ist eine Weltregierung und mehr Gerechtigkeit zwischen den 700 Millionen Einwohnern der Industriegesellschaften und dem Rest der Welt.

Vielen Dank für das Gespräch.