Anfang Mai erhielt Peter Glöckner einen Anruf von einem seiner Bauherrn: Er plane, mit seiner Familie für ein Jahr nach Amerika zu gehen, ob er – Peter Glöckner – sich vorstellen könne, währenddessen sein Büro hierher zu verlegen, oder ob er das Haus unweit des Englischen Gartens anderweitig nutzen wolle. Und weil der Architekt bereits seit einiger Zeit auf der Suche nach einem Haus in München oder dem Umland war (und ist), stand damit auch das Thema im Raum, ob denn ein Bewohnen des Hauses mit der gesamten Familie in Frage käme – auch wenn er die Frage nach einem kompletten Umzug zunächst nicht stellen wollte.
Während sein Bauherr die Idee von Anfang an positiv aufnahm, wusste die Familie zunächst nicht so recht, wie die Sache einzustufen sei, und meldete Bedenken an: Können wir unsere Wohnung einfach kündigen und den gesamten Hausrat irgendwo einlagern? Wie geht es nach diesem Jahr weiter? Wo sollen die Kinder zur Schule gehen, wie kommen sie in den Sportverein? Wie schnell gewöhnen sie sich an das – außerordentlich großzügige – „Platzangebot“, wie schwierig wird die Rückkehr in eine „normale“ Wohnsituation?
Schlussendlich gelang es Peter Glöckner, seine Familie davon zu überzeugen, dass eine solche Chance – oder ein solches Abenteuer – sich im Leben nicht allzu oft bieten. Nach reiflichen Überlegungen schlossen die Glöckners einen „Familienvertrag“, in dem alle Beteiligten ihr Einverständnis zum Wohnungswechsel bekundeten, und nach einigen arbeitsintensiven Wochen, die sie mit der Renovierung der alten Wohnung und dem Umzug beschäftigt waren, verbrachten die Glöckners Anfang August die erste Nacht in der neuen Umgebung.
Während die Haustechnik mit ihren ausgeklügelten Schalt- und Steuerungsfunktionen, die Alarmanlage, die Beheizung des Schwimmbads auf der Dachterrasse und die Bedienung der Strömungsanlage intensive Lernprozesse in Gang setzten, blieb das Platzangebot erst einmal ungewohnt: Im Gegensatz zur 85-Quadratmeter-Wohnung gibt es im „neuen“ Haus auf einmal Räume, die man zumindest nicht täglich betritt.
Jochen Paul:
Wie fühlt es sich an, ein Haus zu bewohnen, das sie als Architekt für jemand anderen entworfen und realisiert haben?
Peter Glöckner:
Das ist zunächst sehr spannend – ein bisschen wie auf Entdeckungsreise, für mich letztlich aber auch vertraut, da ich ja eigentlich sowieso schon jeden Winkel des Hauses kenne. Sehr interessant ist, alles von der Dusche bis zur Küche auch im täglichen Leben ausprobieren zu dürfen.
Funktioniert das Haus im Abstand von drei Jahren so, wie sie es seinerzeit geplant haben, was würden sie heute anders machen?
Alles – und das ist wirklich nicht „wenig“ – funktioniert sehr gut. Bedingt durch einige technische Spezialitäten erfordert das Bewohnen des Hauses ein Gefühl für die Technik sowie für die diversen Einbauten – ein bisschen wie ein alter Ferrari, der ja bekanntlich auch seine „Mucken“ hat. Dieses Haus zu bewohnen hat auch einen sportlichen Aspekt: Wer etwas erleben oder genießen will, muss auch etwas dafür tun. Im Prinzip ist es wie beim Bergsteigen: Wer den Ausblick am Gipfel genießen will, muss erst einmal auf den Berg hinaufsteigen – vorausgesetzt es gibt „hoffentlich“ keine Bergbahn! Aus gestalterischer Sicht sowie an der räumlichen Struktur gibt es aus meiner Sicht nicht viel zu verbessern. Ich persönlich vermisse bzw. würde mir eigentlich nur einen Fitnessraum wünschen.
Was hätten sie anders gemacht, wenn sie das Haus für sich selbst entworfen hätten?
Eigentlich nichts: Die Lage des Hauses, die Anordnung der Räume sowie die Einrichtung entsprechen ganz und gar meiner Einstellung zu und meiner Vorstellung von Architektur. Sie bieten eine wunderbare Basis für ein ausgefülltes, kommunikatives Familienleben.
Welche Einblicke in die Persönlichkeit des Bauherrn gewinnen Sie, die Sie vorher nicht hatten? Lernen Sie Ihren Bauherrn besser kennen, indem sie für ein Jahr sein Haus bewohnen?
Zunächst einmal bin ich sehr dankbar, dieses „Abenteuer“ erleben zu dürfen. Aber weil man bei einer solchen Planung mit dem Bauherrn schon während der Bauzeit sehr eng zusammenarbeitet und ihn dabei auch kennen lernt, habe ich nach zweieinhalb Monaten im Haus noch keine weiteren oder gar neuen Erkenntnisse zu dessen Persönlichkeit. Eigentlich ist alles so, wie ich mir das vorgestellt habe.
Interessant finde ich aber den Gedanken, welche Gemeinsamkeiten, Parallelen und Unterschiede beim Bewohnen dieses Hauses zwischen der Familie des Bauherrn und meiner auftreten: Lebt der Besitzer eines Hauses weniger vorsichtig in seinem „eigenen“ Haus als ein temporärer Bewohner? Wann stellt sich bei einem selbst ein Gefühl des „Zuhause-Seins“ ein?
Zum Beispiel klingt ein denkmalgeschütztes Haus anders als eine Wohnung: Die Balkendecken knacken, die alte Holztreppe macht Geräusche, die Lüftungsschächte auch. Und schließlich ist die Kommunikation über drei Geschosse – und die damit verbundenen Laufstrecken – ganz anders… Trotzdem beginnen wir, uns in dem Haus „zuhause“ zu fühlen, und die Unterschiede des „täglichen Lebens“ zu genießen, das nicht allzu viel mit Fotos in Veröffentlichungen zu tun hat.
HIER zur Präsentation in den ARCHITEKTURHIGHLIGHTS
Ein Jahr im selbst entworfenen Traumhaus
Der Architekt Peter Glöckner erhielt einen Anruf von seinem Bauherrn: Er plane für ein Jahr ins Ausland zu gehen, und ob er sich vorstellen könne, währenddessen das Haus welches er für ihn geplant hatte zu bewohnen? Darüber, wie es sich anfühlt als Architekt in seinem „eigenen Haus“ zu wohnen, sprach Jochen Paul mit Peter Glöckner.