Der Superminimalist zeigt in seiner Ausstellung Projekte von Lüdenscheidt bis Los Angeles. Im Interview spricht er über Vertrauen, Wettbewerbe und Karl Lagerfelds „Liebesbriefe“.
Höchst gespannt haben wir den namhaften „Superminimalisten“ John Pawson in München zur Preview seiner Ausstellung erwartet. Seit dem 1. März können in der Pinakothek der Moderne mehrere Ausstellungsräume Pawsons besichtigt werden. Ja, es sind in der Tat seine Räume denn als Kurator seiner eigenen Ausstellung beweist er ebenso viel Feingefühl wie in seiner Arbeit als Architekt und Designer.
Man würde sicherlich klare Linien, stechendes Weiß und graue Pappmodelle erwarten, doch stattdessen werden wir von einem dunklen, warm getönten Raum empfangen, von dessen Wänden uns strahlende, rahmenlose Fotoleinwände entgegenleuchten. Es sind extrem hoch aufgelöste Aufnahmen von Pawsons Projekten, die zunächst vertraut aber dennoch irritierend wirken: ein bisschen zu grell, zu scharf, zu perfekt, aber andererseits wunderschön, präzise und real. Pawson wählt diese Art der Fotografie, die aus bis zu über 90 Einzelbildern entsteht, bewusst; mit der Absicht durch Perfektion im Detail zu einer Perfektion im Ganzen zu gelangen. Dabei gesteht er mit einem Augenzwinkern und britischem Hugh Grant-Lächeln, dass Fotos auch bei ihm ein inszeniertes Repräsentationsmedium darstellen.
Vor den Bildern liegen Materialbeispiele im Maßstab 1:1, wodurch wir das Brückengeländer der 2006 entworfenen „Sackler Crossing“ in Kew Gardens, auch in München berühren können.
Eindrücke aller Art, auf Reisen oder zwischendrin hält Pawson mit snapshots fest. Dieses Potpourri an unverfälschten Fotos dient später in seinem Londoner Büro als Inspirationsquelle in Bezug auf Stimmungen, Materialien und Formen. Ein Bruchteil dieser kaum greifbaren Menge an Fotos (Pawson spricht von Zigtausenden und zeigt großes Mitgefühl für die Mitarbeiter, die die Bilder mit ihm auswerten), ist in der Ausstellung zu sehen. Sie zeigen uns Pawsons persönliche Perspektive auf die Umwelt. Auch die Räume in der Pinakothek sind durch eine wechselnde Atmosphäre gekennzeichnet. Der Besucher kann den Licht-, Stofflichkeit- und Formeffekten nachspüren, indem er im Verlauf der Ausstellung selbst von dunklen zu hellen und von klar umgrenzten zu offenen Räumen geleitet wird. Es lohnt sich der Blick zum Detail! Selbst die Tische und Vorhänge sind seine Entwürfe und verdeutlichen die tiefe Akribie seiner Arbeit.
Pawson betrachtet die Dinge nie isoliert, sondern versucht, Zusammenhänge und Wechselwirkungen darzustellen. Seine Architektur steht im Kontext ihres unmittelbaren natürlichen oder urbanen Umfelds. Dieser Bezug bestimmt Materialität, Proportion und Führung. Aus dieser komplexen Herangehensweise resultieren feinfühlige Projekte, die eine enge Zusammenarbeit und das Vertrauen der jeweiligen Bauherren erfordern; daher ist Vertrauen für Pawson eine besonders entscheidende Voraussetzung.
Auf die Frage, ob es Unterschiede zwischen seinen Klienten gebe, gesteht uns der international agierende Architekt, dass ihm vor allem seine deutschen Auftraggeber großes Vertrauen schenken. Wir freuen uns über dieses Kompliment in Hinblick auf das architektonische Verständnis und betrachten den Umbau der Augsburger St. Moritzkirche (siehe Vortrag dazu) als gelungenes Beispiel hierfür. Diesen derzeit laufenden Umbau bezeichnet Pawson im übrigen als „reunion“, also als eine Wiederfindung und Vereinigung der Architektur mit der Spiritualität der Kirche.
Die Ausstellung in der Pinakothek der Moderne verschafft einem eine gut nachzuvollziehende Übersicht über Pawsons Projekte und Arbeitsmethoden. Ihr gelingt es, die Distanz zu nehmen, die minimalistische Architektur und Design oftmals erzeugt. Pawson wirkt auf uns als sympathischer Perfektionist, der sich dem Design von Gebrauchsgegenständen genau so bedächtig widmet wie der Architektur: „Whether it's a fork or a church, it makes no difference“.