2012 ist für die Landeshauptstadt ein Jahr der Jubiläen: Neben der Großmarkthalle feiern unter anderen das Filmfest (30 Jahre), die XX. Olympischen Spiele, der MVV und die Fußgängerzone (40 Jahre), die Münchner Kammerspiele (100 Jahre) und das Bayerische Zentral-Landwirtschaftsfest (125 Jahre).
Im Gegensatz zur Theresienwiese ist der Großmarkt an der Thalkirchner Straße den Münchnern, die selbst nicht dort arbeiten, weitgehend unbekannt: Das 31 ha große Areal – bei einem Jahresumschlag von 700.000 t nach Paris-Rungis und der Unidad Agroalimentaria von Barcelona der drittgrößte Handelsplatz für Lebensmittel und Blumen in Europa – ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich.
Zu ihrer Einweihung am 14. Februar 1912 waren die vier von Richard Schachner (1873 – 1936) für 2,8 Mio. Goldmark in unmittelbarer Nähe des Schlachthofs errichteten Markthallen nicht nur Deutschland größter Eisenbetonbau, sondern als Ikone einer funktionalistischen Industriearchitektur auch durchaus vergleichbar mit Peter Behrens' AEG Turbinenhalle; 1924 eröffnete Karl Meitingers (1882 – 1970) Kontorhaus I auf dem Gelände. 1945 war der Großmarkt dann zu 80 Prozent zerstört – von den markanten Spitzbogendächern der vier Hallen ist nur noch eines erhalten, die drei anderen Hallen wurden in den 1950er Jahren vereinfacht wieder aufgebaut.
Als die Direktion der Münchner Markthallen das Münchner Stadtmuseum wegen der Ausstellung kontaktierte, stellten die Kuratorinnen zunächst fest, dass sich das Projekt nur sehr eingeschränkt aus den eigenen Sammlungen realisieren liess: Bis in die jüngste Vergangenheit hatte das Münchner Selbstbild die Themenbereiche Industrie und Wirtschaft weitgehend ausgeklammert. Zum Ausgangspunkt ihrer Recherchen wurde deshalb die wirtschaftshistorische Dissertation eines Grossmarkthändlers, Dr. Hans Widmann, über seinen „Arbeitsplatz“. Das Problem der fehlenden Exponate lösten Ursula Eymold und Nana Koschnick, indem sie die Sonderausstellungsfläche im 2. Obergeschoss in ein begehbares Diorama um die Themen Masse, Frische und Bewegung verwandelten – unter Rückgriff auf eine Vielzahl von Obstkisten unterschiedlichster Epochen und sämtliche Dokumentarfilme, die seit 1958 über den „Bauch von München“ gedreht worden waren.
Zudem stellen sie das Thema Grossmarkt in einen stadtentwicklungsgeschichtlichen Kontext: „Täglich frisch!“ erzählt die fundamentale Veränderung der Lebensmittelversorgung der Münchner vor dem Hintergrund von Münchens Entwicklung zur Großstadt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Von 1851 bis 1912 war die Bevölkerung von 90.000 auf 615.000 Einwohner gestiegen, zwischen 1870 und 1890 hatte sie sich verdoppelt – was die bestehenden Marktplätze Viktualienmarkt und Schrannenhalle zunehmend überforderte.
Ein Jahrhundert nach seiner Inbetriebnahme steht der Münchner Großmarkt trotz zahlreicher Erweiterungen vor einer grundlegenden Sanierung oder einem Neubau; bis 2016 soll das Projekt abgeschlossen sein. In der Ausstellung heißt es dazu: „Die aktuelle politische Diskussion in den städtischen Gremien lässt derzeit die Präsentation des Planungsstandes nicht zu. Neue Beschlüsse und Ergebnisse sollen während der Laufzeit der Ausstellung ergänzt werden.“ Damit ist trotz einer Verlängerung um sechs Wochen nicht mehr zu rechnen – immerhin sind drei Diplomarbeiten zu sehen, die sich 2010 an der TU München mit den Großmarkthallen beschäftigten. Aber auch das hat Tradition: Bereits der Gründung vor 100 Jahren war eine 20-jährige Diskussion um den richtigen Standort vorausgegangen.