Zeitgenössische Architektur in Bayern

Udes Brief an Nerdinger

Anlässlich der bevorstehenden Verabschiedung von Professor Dr.-Ing. Winfried Nerdinger als Leiter des Architekturmuseums würdigt Oberbürgermeister Christian Ude in einem Schreiben dessen Verdienste:

„Ich bedauere es sehr, dass ich einer anderen Verpflichtung wegen nicht persönlich bei Ihrer Verabschiedung als Leiter des Architekturmuseums anwesend sein kann und daher diesen Weg, Ihre großen Verdienste zu würdigen, wählen muss. Das von Ihnen konzipierte und durchgesetzte Architekturmuseum ist eine große Bereicherung der Münchner Museumslandschaft. Jahrelang haben Sie sich um Ausstellungsräume für diese größte Sammlung für Architektur in Deutschland mit über einer halben Million Zeichnungen und über 500 Modellen, Abgüssen und Skulpturen bemüht. Unter Ihrer Leitung zeigt es nun seit 2002 ein breit gefächertes Programm wechselnder Ausstellungen, deren Spektrum von historischen Themen bis zur Darstellung aktueller Architekturströmungen und Ingenieurleistungen reicht und immer wieder auch gesellschaftspolitisch relevante Themen aufgreift. Ausstellungen, die auch international Anerkennung gefunden haben.

Mit seinen Publikationen, Gesprächsrunden und Vorträgen haben Sie das Architekturmuseum zu einem Forum des Austauschs von Ideen und Meinungen gemacht, das eine immer stärker werdende Breitenwirkung erzielt und damit das Bewusstsein für die Bedeutung von Architektur in unserer Stadt schärft. Als eine Hochschulinstitution mit Archiv und Ausstellungsräumen, die Sammlung, Lehre und Forschung vereint, ist das Museum in Deutschland einzigartig. Es ist auch durch die von Ihnen disziplinübergreifend und programmatisch konzipierten Ausstellungen zu einem vitalen Ort des kulturellen Lebens unserer Stadt geworden.

Mit Ihrem großen Engagement für die Architektur und Baukultur in Bayern ist es Ihnen gelungen, die Öffentlichkeit für den hohen Stellenwert ihrer gebauten Umwelt zu sensibilisieren und unsere Stadt hat Ihnen die Erforschung und Vermittlung von 200 Jahren Münchner Architekturgeschichte zu verdanken. Sie sind im wissenschaftlichen und kulturellen Leben Münchens seit vielen Jahren eine herausragende Persönlichkeit und haben als Professor für Architekturgeschichte an der TU München mehrere Generationen von Studenten für die Baukultur begeistern können.

Als Forscher haben Sie sich besonders der Architekturgeschichte Bayerns seit der Zeit des Klassizismus gewidmet und dazu mehrere Standardwerke verfasst. Mit Ihrem unerschöpflichen Engagement und Ihrer großen kultur-historischen Kompetenz begeistern Sie nicht nur Architekturstudenten für Baugeschichte, sondern erreichen auch, dass sich eine breitere Öffentlichkeit für Architektur interessiert. Ihre zahlreichen Schriften und Bücher sowie Ihre Katalogbeiträge zählen längst zu den Standardwerken der Architekturgeschichte. Durch ihre vielfältigen Aktivitäten haben Sie maßgeblich dazu beigetragen, dass München im In- und Ausland als ein vitaler Ort der Architektur-Diskussion wahrgenommen und geschätzt wird. Als unbestechlicher und manchmal unbequemer Individualist haben Sie München nicht selten die Leviten gelesen und damit mitunter auch wichtige Diskurse angestoßen.

Die Stadt München hat Ihre Verdienste 2006 mit der Verleihung der Medaille ‚München leuchtet - Den Freunden Münchens' in Gold sowie mit dem Architekturpreis der Landeshauptstadt gewürdigt, der Freistaat hat Sie mit der Leo-von-Klenze-Medaille und im vergangenen Jahr völlig zurecht mit dem Bayerischen Architekturpreis und dem Staatspreis für Architektur ausgezeichnet.

Ihrer bis in die 80-er Jahre zurückreichenden und nie erlahmenden beharrlichen Unterstützung bei der Schaffung des NS-Dokumentationszentrums ist es zu danken, dass dieses nun - spät, aber nicht zu spät - als gemeinsame Initiative von Bund, Land und Stadt Realität wird. München wird mit diesem Lern- und Erinnerungsort seiner Aufgabe, seine Vergangenheit als ehemalige ‚Hauptstadt der Bewegung' aufzuarbeiten, gerecht werden können. Und dass Sie sich, der Sie schon als Mitglied des wissenschaftlichen Beirats wichtige Akzente gesetzt haben, bereit erklärt haben, die Aufgaben des Gründungsdirektors zu übernehmen, ist ein Glücksfall für München.

Ich wünsche Ihnen, der Sie in der Pinakothek der Moderne ein gut bestalltes Haus an Ihren Nachfolger übergeben, eine würdige und fröhliche Verabschiedung aus Ihrem bisherigem Amt und uns, dass Sie sich auch in Zukunft als kritischer Mahner in die Stadtentwicklung und bauliche Gestaltung unserer Stadt einbringen."