Das Auditorium, Oswald Mathias‘ Ungers Schmuckkästchen im Deutschen Architekturmuseum, war bis auf den letzten Platz gefüllt, als „Baumeister“-Herausgeber Wolfgang Bachmann vergangenen Donnerstag Abend die Preisverleihung von „Häuser des Jahres 2012“ einläutete – die zu spät Gekommenen mussten sich mit einem Sitzplatz auf der Treppe oder mit einem Stehplatz auf der Galerie begnügen.
Mit insgesamt 223 Einreichungen hatte es deutlich mehr Teilnehmer gegeben als an der Premiere 2011, dafür gab es auf den ersten Blick weniger außergewöhnliche Häuser dafür ein breites Mittelfeld sehr ähnlicher Arbeiten, so Bachmann. Und weiter: „Die weiße Villa mit Flachdach hat sich unter wohlhabenden Bauherren als Nonplusultra durchgesetzt. Das mag man als Erfolg betrachten, aber bei genauerem Hinsehen offenbarte sich doch, dass es immense Unterschiede gibt, welche Balance geschlossene Flächen und Öffnungen eingehen, welchen Kubus sie bilden und welche Zuwendung man den Details gewidmet hat. Ein Fenster ist eben kein zufälliges Loch in der Wand, und ein Haus hört nicht einfach irgendwie am Dachrand auf.“
Weshalb die Jury die attraktive Bauaufgabe Einfamilienhaus dieses Mal nicht nur als persönliche Verwirklichung der Bauherrschaft begriff, sondern als Beitrag oder Eingriff in einen städtebaulichen Kontext.
Damit zur eigentlichen Preisverleihung: Vier Auszeichnungen gingen an
- Katrin und Otto Brugger für die Sanierung ihres 250 Jahre alten Bauernhauses im vorarlbergischen Bartholomäberg („Ein Meisterwerk zeitgenössischen Weiterbauens, das an Gion Caminadas wegweisende Eingriffe erinnert und eine pflegliche und liebevolle Haltung offenbart, die im ländlichen Raum längst nicht mehr selbstverständlich ist.“ | Peter Cachola Schmal),
- L3P Architekten aus Regensberg für zwei Minergiehäuser in Oberweningen („Das im Zürcher Unterland realisierte Projekt setzt sich thematisch mit dem Doppelhaus und dem Einfamilienhaus auseinander und dies auf eine interessante Art und Weise.“ | Armando Ruinelli),
- Denzer & Poensgen aus Nettersheim-Marmagen für die Erweiterung eines Wohnhauses in Wuppertal („Ein altes Haus nicht einfach abzureißen, sondern durch geschickte Ergänzung zu erhalten, sogar aufzuwerten und mit dem Anbau in einen Dialog treten zu lassen, findet von vornherein die Zustimmung der Jury.“ | Thomas Kaczmarek), und
- e2a eckert eckert architekten für ein privates Wohnhaus am Zürichsee („Das Prinzip Einfamilienhaus wird erweitert durch eine abtrennbare Wohnung im zweiten Obergeschoss, was ein zweiter Treppenlauf ermöglicht. Damit lässt sich sowohl mit erwachsenen Kindern, Au-pair, Patchwork-Familie, Pflegepersonal oder Arbeitsräumen ein Haushalt neu definieren – wer wann auch immer diese Entscheidung treffen mag.“ | Wolfgang Bachmann)
Eine Urbane Villa von 2b architectes aus Lausanne die vier große Wohneinheiten in einem kristallin anmutenden Volumen verbindet, fand die Jury so interessant, dass sie ihr einen Sonderpreis verlieh – obwohl es sich bei dem Gebäude typologisch nicht um ein Einfamilienhaus handelt: „Die Jury erkannte darin einen innovativen Beitrag zur Frage der innerstädtischen Verdichtung und honoriert die Fähigkeiten der Architekten, auf diese für unsere Städte so wichtigen Fragestellung eine überzeugende, zeitgenössische Antwort gegeben zu haben“, so Max Dudler.
Der mit 10.000 Euro dotierte „Hauptpreis“ aber ging an Daniele Marques aus Luzern für seine drei in traumhafter Hanglage am Vierwaldstätter See errichteten Einfamilienhäuser. Die Jury entschied sich für die Vergabe des ersten Preises „nicht zuletzt“, so Wolfgang Pehnt, „weil hier das Ur-Schweizer Thema des Terrassenhauses intelligent variiert wurde. Trotz kompakter Dichte bietet die Anlage ein denkbar hohes Maß an Wohnkomfort und Eleganz.“
Im anschließenden Publikumsgespräch mit Wolfgang Bachmann und dem ersten Preisträger stellte sich dann bei einem Glas Rotwein heraus, dass nicht nur Daniele Marques, sondern auch die übrigen Preisträger (mit einer Ausnahme) zumindest teilweise für den eigenen Wohn- und Arbeitsbedarf geplant und gebaut haben. Und, dass es unter den eingereichten Arbeiten ein qualitativ wie quantitativ ausgeprägtes Nord-Süd-Gefälle gab: Vier der insgesamt sechs prämierten Arbeiten stammen aus der Schweiz, eine aus Österreich. Immerhin finden sich unter den 50 Häusern, die es ins Buch geschafft haben, ein paar aus Bayern – die Ausstellung ist noch bis zum 28. Oktober zu sehen...
Jochen Paul