Wie kann man Nachverdichtung steuern und vor allem mit einer der größten bevorstehenden Herausforderungen für die Städte – dem Klimawandel – in Einklang bringen? Ein Rückblick von Silvia Pöhlsen
Nachverdichtung ist kein neuer oder ungewöhnlicher Prozess in der Stadtentwicklung. Geplant oder ungeplant, mal stärker, mal schwächer ausgeprägt, ist dieser von dem Stadttypus „Europäische Stadt“ nicht wegzudenken. Wie kann man aber diese Nachverdichtung steuern und vor allem mit einer der größten bevorstehenden Herausforderungen für die Städte – dem Klimawandel - in Einklang bringen? GFZ von 3,0 und frische Luft, Licht und auch noch klimafreundlich passt, so sollte man meinen, einfach nicht zusammen – oder vielleicht doch?
Auf der Fachtagung „Nachverdichtung vs. Freiraum – Unvereinbare Gegensätze?“ des Instituts für Städtebau und Wohnungswesen München (isw) wurde am 19. Oktober 2012 heiß über dieses Thema diskutiert. Die Referenten waren Wolfgang Ansel, Deutscher Dachgärtner Verband, Nürtingen, Prof. Dietrich Fink, TU München, Prof. Kerstin Gothe, Karlsruher Institut für Technologie, Götz Kessler von der GEWOFAG, München, Maya Kothe, Landeshauptstadt Saarbrücken, Prof. Dr. Stephan Pauleit, TU München und Cornelia Stadler, Landeshauptstadt München.
Auch wenn München von der Nachverdichtungsthematik aufgrund der stetig steigenden Nachfrage an Wohnraum besonders stark betroffen ist, so steht die Stadt doch nicht alleine da, was die interessanten klimatologischen und städtebaulichen Studien aus anderen Städten der Bundesrepublik belegten. An diesem Nachmittag wurde jedoch schnell klar, dass auf der Ebene der BRD, den Ländern und der einzelnen Kommunen bis hinunter zum Architekten und Bauherren noch viel Lobbyarbeit getätigt werden muss, um dieses ernst zu nehmende Problem, nämlich die negativen und vor allem nicht abzusehenden Folgen des Klimawandels (zunehmende Extremwetterlagen) bei gleichzeitig steigendem Bedarf an Wohnraum in den Griff zu bekommen.
Wissenschaftliches „Datenchaos“ allein reicht dabei nicht aus, diese hochkomplexen Zusammenhänge zu erklären, geschweige denn um einen Lösungsansatz zu definieren. Ernüchternd auch, dass Grünfläche nicht gleich Grünfläche ist und sie, je nach ihrer Ausprägung (von einer kleinen Grüninsel um einen Straßenbaum bis zum großflächigen Stadtpark) nur rudimentär auf das gesamte Stadtklima wirkt. Der Baum hat es schwer in unseren Städten, und somit kommen wieder die zu Wort, die auch in der Architektur das Potenzial zur Klimamäßigung erkennen. Nachverdichtung heißt nämlich auch Aufstockung, „noch mehr“ Versieglung, Schattenwurf und das Ableiten überschüssiger Energie über die Dachflächen. Das Vorbild hierfür sind die Großstädte unserer südeuropäischen Nachbarländer. Bordeaux, Neapel, Madrid – hier funktioniert Abkühlung über die Dichte – Modelle mit Vorbildcharakter für uns? Sicher nicht, denn wer möchte in diesen engen, dunklen Gassen leben, die wir im Urlaub zwar als „romantisch“ bezeichnen, jedoch bitte nur um Pizza essen zu gehen und uns vom Sonnenbad am Strand abzukühlen. Die sozialpsychologische Komponente ist eben nicht wegzureden. Damit zurück nach München: Keine Sorge, liebe Bewohner von Grünwald und Bogenhausen – nach dem Entwurf von Prof. Dietrich Fink (Lehrstuhl für Integriertes Bauen, TUM) wird es zunächst den Nachkriegsbauten und Quartieren an den Kragen gehen nach dem Motto: „hier ist eh alles zu spät“?! Oder eher: „hier steckt Nachverdichtungspotenzial“, und zwar sehr großes. Das Paradebeispiel: die Sonnenstraße. Hier könnte ein Boulevard der Zukunft entstehen. Wenn kein Platz mehr in der Fläche besteht, so bleibt eben noch die Vertikale.
Was bleibt von dieser Tagung festzuhalten? Es kommt auf die Art und Weise der Nachverdichtung an und auf die Art der Freiflächen, ob Sie miteinander kollidieren oder harmonieren. Für eine Harmonie ist viel Arbeit zu leisten. Aufklärungsarbeit. Niemand kommt um den Klimawandel und um die Nachverdichtung herum. Die Herausforderung besteht darin, flexible Lösungen zu finden. Denn die eine Lösung wird es nicht geben. Zu viele unterschiedliche Komponenten spielen letztendlich eine Rolle und wirken je nach Standort unterschiedlich. Seitens der wissenschaftlichen Analysemethoden besteht Nachhol- bzw. Aufholbedarf. Denn der Wettlauf hat längst begonnen: Wie lange wird es dauern, bis wir uns technisch, rechtlich, städteplanerisch auf die prognostizierten Probleme, die mit dem Klimawandel einhergehen, vorbereitet haben? Und was, wenn alles ganz anders kommt – wir nicht unter Hitze, sondern Kälte leiden? Hoffentlich hat dann zumindest jeder ein Dach über dem Kopf und kann sich's leisten, dieses auch noch zu heizen...
Silvia Pöhlsen