Günstig, zentrumsnah und in guter Verkehrslage - so sieht für viele die ideale Wohnlage aus. In München wird dieser Traum aber nur für die wenigsten zur Wirklichkeit. Die meisten Wohnungssuchenden müssen tiefer als geplant in die Tasche greifen oder machen Abstriche bei Zentralität und Anbindung. Die Stadtentwicklung müsse weiter entlegene Viertel aufwerten, fordern deshalb Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM). Dann könnten aus früheren Randbezirken die neuen Wunschlagen werden.
Von 2009 bis 2012 haben die Forscher knapp 1.800 Münchner nach ihren Wohnwünschen und Entscheidungsmotiven bei der Wohnungssuche befragt. Die meisten der „Wohnungsfinder" haben eines gemeinsam: Auf dem Weg zum neuen Zuhause mussten sie Kompromisse eingehen. Vor allem was die Lage betrifft: Nur 45 % derjenigen, die innerhalb des Mittleren Ringes nach einer Wohnung suchen, werden dort auch fündig. Deutlich höher liegt die „Trefferquote" mit 64 % außerhalb des Mittleren Ringes und mit 84% in der Region. Auch bei der Nähe zu Nahverkehrshaltestellen und Einkaufsmöglichkeiten - den am häufigsten genannten Kriterien für die Wohnumgebung - machen viele Abstriche.
Im Vergleich zu Singles entfernen sich Familien im Laufe der Wohnungssuche am meisten vom Münchner Stadtzentrum. Unter allen, die von der Stadt München in die Region umziehen, stellen Familien mit knapp 46 % die größte Gruppe dar.
Teurer oder weiter weg: Wofür sich Singles und Familien entscheiden
„Familien suchen oft nach größeren Wohnungen, die vor allem im Stadtzentrum teuer sind. Ihnen sind aber auch freie Flächen zum Spielen, eine nette Nachbarschaft und die Nähe von Schulen und Kindergärten besonders wichtig", erklärt Prof. Alain Thierstein vom Lehrstuhl für Raumentwicklung. „Dafür nehmen sie Nachteile in Kauf, wie lange Wege zum Arbeitsplatz. Singles hingegen suchen kleinräumiger. Ihnen sind die Nähe zu Freunden sowie das Kulturangebot wichtiger als Paaren oder Familien."
Das zu Beginn der Wohnungssuche geplante Budget ist für alle Gruppen schwer zu halten. Die Wissenschaftler haben ermittelt, dass Mieter innerhalb des Mittleren Rings im Durchschnitt etwa 1 Euro pro Quadratmeter mehr zahlen als ursprünglich gewünscht. Wer nicht in der Lage ist, so viel zu zahlen, muss außerhalb des Mittleren Rings bzw. in der Region suchen. Dort liegt der Aufschlag noch bei 0,66 bzw. bei 0,46 Euro pro Quadratmeter.
Neue Chance für entlegene Stadtquartiere
Der Wegzug als Sackgasse? Nicht unbedingt, sagen die Wissenschaftler. Denn durch die Ausweichbewegung der Wohnungssuchenden erhalten auch bislang weniger nachgefragte Stadtviertel eine neue Chance. Zwar suchen viele der Befragten in Stadtvierteln wie Schwabing-West (Wunschanteil 9,5 % / Anteil gefundener Wohnstandort 6,6 %), Maxvorstadt (9,7 % / 3,1 %) und Au-Haidhausen (7,5 % / 4,2 %). Fündig werden sie dann in Vierteln wie Neuhausen-Nymphenburg (7,6 % / 23,6 %) Schwabing-Freimann (2 % / 9 %), Berg am Laim (1,8 % / 5,2 %) oder Aubing-Lochhausen-Langwied (1,1 % / 6,6 %).
Für die Stadtentwicklung lässt sich diese Ausweichbewegung nutzen, um entlegene Gebiete gezielt aufzuwerten: „Auch Stadtgebiete außerhalb des Mittleren Ringes müssen zu eigenen Zentren werden", meint Prof. Thierstein. „Dafür sind mehr Nahverkehrsverbindungen zwischen den neuen Außenzentren wichtig", sagt der Ökonom und Stadtentwickler. Aber auch die Stärkung der Quartiersidentität ist dem Wissenschaftler ein Anliegen, beispielsweise durch öffentliche Räume, die von vielen Bürgern genutzt werden. „Die richtige Durchmischung zählt: Nur wenn wir auf kleinstem Raum eine kluge Verbindungen von Wohnungen, Gewerbe und Grünflächen schaffen, lässt sich die große Nachfrage nach attraktiven Wohnangeboten im Großraum München stillen."