Lydia Haack führt seit 1996 gemeinsam mit John Hoepfner ein Architekturbüro in München. Ihr Arbeitsspektrum ist sehr vielseitig und erstreckt sich von Waschstrassen (Design Award 2004) über ein "ausziehbares Cafe" (Pocketcameraprinzip) bis hin zu klassischen Architekturaufgaben im Wohnungs- Verwaltungs- und Gewerbebau. Gemeinsam mit dem renommierten Londoner Architekt Richard Horden hat Sie das „micro compact home“, eine modulare mobile sowie erweiterbare Wohneinheit entwickelt. Die erste Kleinsiedlung aus „micro compact homes“ für Münchner Studenten im Norden Münchens ist für November 2005 in Vorbereitung. Wir haben sie zu der ungewöhnlichen Siedlung befragt.
Regine Geibel
Frau Haack, Sie stellen sich den unterschiedlichsten Bereichen mit dem Ziel neue Maßstäbe in Architektur, Design und Fertigung von Gebäuden zu setzen. Für ein Büro bedeutet dies stets Einarbeiten in ein neues Thema, also keine Routinearbeit. Zeichnet gerade dieser Mut den Erfolg Ihres Büros aus?
Lydia Haack
Die Philosophie unseres Büros ist es zeitgemäße Konzepte zu entwickeln die auf die Bedürfnisse unserer Gesellschaft reagieren. Dazu ist es notwendig Gewohnheiten auch grundsätzlich in Frage zu stellen und immer wieder neu zu bewerten. Architektur ist für uns Lebensqualität und diese beinhaltet Vielfalt und Veränderung.
RG
Architekten haftet das Vorurteil an, sie würden nicht wirtschaftlich denken und handeln und dass dies der Grund sei, warum es ihnen so schlecht geht.
LH
Meines Erachtens ist dies völlig falsch. Es gibt kaum noch einen Architekten, zumindest in unserer Generation, der sich nicht um Wirtschaftlichkeit bemüht. Schwierig aber ist es auf allen Ebenen immer wieder zu verdeutlichen, dass Kosten nicht gleich Kosten sind; dass es einen deutlichen Unterschied macht ob, ich bei der Kostenbetrachtung reine Baukosten beziffere oder aber auch den Unterhalt und den Betrieb des Gebäudes über einen längeren Zeitraum in Betracht ziehe. So wird, was eigentlich wirtschaftlich ist, oft als zu überteuert angesehen und Qualität bleibt auf der Strecke. In sichtbare oft überakzentuierte Oberflächlichenkosmetik zu investieren und dabei über das eigentliche 'Versagen' bei der Lösungsfindung hinwegtäuschen, ist ein oft gewählter Ausweg und Kompromiss.
RG
Liefern Sie mit Ihren vielseitigen Projekten den Beweis, daß es doch auch für einen Architekten möglich ist, einen hohen kreativen Anspruch an Architektur zu leben und gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreich zu arbeiten?
LH
Ich denke schon, wir bemühen uns immer wieder aufs Neue. Ein tragfähiges Konzept muss viele Kriterien erfüllen. Resourcenschonendes und kostenoptimierten Bauen sind wichtige Kriterien wenn Architektur überzeugen soll. Architektur muss lebensnah und nicht selbstverliebt sein. Wirtschaftlich Planen ohne Qualität einzubüssen das bedeutet Sorgfalt und oft auch Selbstbeschränkung beim Planen und Bauen. 'Less is more', es klingt so banal und es ist so schwer zu erreichen.
RG
Wo sehen Sie sonst die Ursachen für die problematische Lage der Architekten und Planer und was kann man Ihrer Meinung nach tun um die Situation zu verbessern?
LH
Angesichts des drastisch geschrumpften Arbeitsmarktes in Deutschland und der damit verbundenen Notwendigkeit auch in überregionalen Märkten zu arbeiten ist die Situation gerade für die kleineren und jungen Büros besonders schwierig. Wir müssen lernen flexibler und kooperationsbereiter zu arbeiten. Der gesellschaftlichen Wandel fordert von uns neue Strukturen und altbewährte Standards zu hinterfragen neue Wege und Technologien für die Architektur zu erschliessen, zu erproben und einzusetzen. Langfristig ist dies der einzige Weg um qualitätsvoll, nachhaltig, effizient und wirtschaftlich planen, bauen und im Wettbewerb bestehen zu können.
RG
Sie haben unter anderem in London bei Hopkins & Partners, sowie an der Universität in Belfast gearbeitet. Wie haben Sie die Arbeitsphilosophie der Architekturbüros dort erlebt?
LH
Mein Eindruck war, daß der Architekt sich eher als Koordinator, als Manager, eines großen Teams sieht. Er hat keine Scheu zuzugeben, daß er etwas nicht weiss, das er eigentlich auch gar nicht wissen kann, und dabei trotzdem das Selbstverständnis und den Überblick richtungweisend und federführend ein Projekt zu steuern und koordinieren. Der Quantity Survior (Kostenschätzer) ist ein hoch angesehener Beruf und ebenso wie der Tragwerksplaner ein Mitglied des Planungsteams, vom ersten bis zum letzten Tag an der Planung beteiligt. Ein Architekt ohne Team überschätzt sich selbst, interdisziplinäres Arbeiten ist unentbehrlich.
RG
An der TU München haben Sie lange als wissenschaftliche Assistentin gearbeitet. Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen in der Lehre?
LH
Mit dem Vorurteil aufzuräumen, daß es eine Trennung zwischen Arbeit und Vergnügen geben muss, um gute Ergebnisse zu erzielen. Architektur darf Spaß machen! Gleichzeitig ist es aber auch wichtig das Bewusstsein zu wecken, daß gute Architektur nicht entsteht in dem man sich auf guten Konzepten ausruht, sondern indem man die Verantwortung für ein Projekt von der ersten Skizze bis zur letzten Schraube bei der Installation vor Ort übernimmt. Das treffendste Zitat bleibt daher für mich immer noch das Leitmotiv von Charles Eames. 'We take our pleasures seriously'
RG
London wird weltweit mit anspruchsvoller Architektur in Verbindung gebracht. Von den Münchner Neubauten haben es lediglich die Pinakothek der Moderne und die Allianzarena in die überregionale Presse geschafft. Wird interessante Architektur in München zu wenig gewertschätzt und damit auch kommuniziert?
LH
Als ich 1989 in London zu arbeiten begann, war in England das Thema resourcenschonendes Bauen noch weitgehend unbekannt. Noch bevor Sir Norman Forster mit seinem Business Promotion Center in Duisburg ökologisches Bauen als Thema aufgriff und bevor Sir Michael Hopkins für das Headquarter in Nottingham mit dem Green Building Award ausgezeichnet wurde, gab es in Deutschland zahlreiche Architekten die die Wichtigkeit des Themas erkannten und baulich umsetzten. Durch unsere Gewohnheit uns und unseren Berufsstand ständig selbst zu kritisieren und korrigieren fällt es uns hier wohl besonders schwer öffentliches Interesse zu wecken und auch mal für uns zu werben.
RG
Hat Baukultur in anderen Ländern also einen höheren Stellenwert als in Deutschland ?
LH
Ja! Bauen wird in Deutschland nicht als das Gestalten einer Umwelt und damit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden. Das öffentliche Interesse wird nur dann geweckt wenn 'Architektur' provoziert oder polarisiert. Zudem scheint es Bauaufgaben zu geben, die zwar den öffentlichen Raum maßgeblich prägen, deren Bearbeitung aber von vornherein nicht als 'architekturwürdig' erachtet wird.
Nun noch ein paar persönliche Fragen:
RG
War es Ihr Wunsch Architektin zu werden oder gab es da noch andere berufliche Träume?
LH
Nein, es war nie meine Absicht Architektin zu werden. Nach meinem Abitur im sozialen Zweig stand für mich eines fest: Probleme zu analysieren macht für mich nur dann Sinn wenn ich anpacken kann und einen aktiven Beitrag zur Veränderung leisten kann. Ist das eine Erklärung?
Berufliche Träume? Jeden Tag und immer wieder einen Neuen.
RG
Was bedeutet für Sie "Heimat" und wo fühlen Sie sich zuhause?
LH
Zuhause bin ich bei meiner Familie... und Heimat ist dann der Ort an dem wir zusammen einen Platz finden.
RG
Wie wohnen und leben Sie selbst? Würden Sie in einen Ihrer Würfel den „micro compact homes“ einziehen?
LH
Wir wohnen, zumindest aus der Sichtweise unserer Kinder in einem Schneckenhaus. Über mehrere Stockwerke gestapelt und gewunden. Im Erdgeschoss waren dann 'die Architekten am Werk' um sich Licht und Luft zu schaffen und den Übergang zwischen Innen und Aussen zu verwischen. Im Garten wäre gerade noch Platz genug für ein compact home auf, das im Übrigen jeder von uns spekuliert. Wer von uns hat schon ein Bad, Küche, Schlafzimmer, Wohnzimmer, und Arbeitszimmer für sich!
RG
Was und wo würden Sie in München gerne bauen?
LH
Ich kann diese Frage eigentlich nur so beantworten: Jeden Tag sehe ich immer wieder Plätze und Orte in München, die ein Konzept brauchen, die Ideen wach werden lassen und meinen Tatendrang wecken!
RG
Wie stehen Sie zur „Hochhausdebatte“?
LH
Ich halte gar nichts von Pauschalurteilen und damit verbundenen Festlegungen!
RG
Wir danken Ihnen für dieses Interview und wünschen Ihnen, Herrn Hoepfner und Ihrem Büroteam weiterhin viel Erfolg und „Spaß“ mit der Architektur!
Büroprofil vom Büro Haack Hoepfner