Regine Geibel: Wie war Ihr erstes halbes Jahr hier in München, haben Sie sich schon eingelebt?
Andres Lepik: Wunderbar; ein wenig musste ich mich natürlich 'rückgewöhnen', ich bin ja in Augsburg geboren und habe in München studiert, war jedoch anschließend 25 Jahre nicht mehr längere Zeit hier. Nach meinen Aufenthalten in Rom, Frankfurt, Berlin, New York und Boston nach München zurück zu kommen ist ein bisschen wie in einen alten Schuh zu schlüpfen, der einem gut gepasst hat. Ich habe aber das Gefühl, dass sich die Stadt stark verändert hat. Sie ist viel internationaler und offener geworden. Viele Dinge haben sich zum Positiven entwickelt, wie der Kulturbetrieb, andererseits haben sich Dinge auch verschärft, wie beispielsweise die Wohnungssituation ...
Wie haben Sie denn Ihre Wohnung gefunden?
Über Freunde von Freunden. Das war wirklich Glück. Die Wohnung ist perfekt, am Englischen Garten gegenüber der Münchner Freiheit. Ich brauche 10 Min. mit dem Fahrrad zur Arbeit und besitze kein Auto mehr. Hier lässt sich die Mobilität gut über den Nahverkehr oder Carsharing lösen. Das ist das Schöne an München, alles ist sehr schnell erreichbar und die internationale Anbindung ist ebenfalls sehr gut.
Kaum haben sie Ihren Posten hier angetreten, wird die Pinakothek der Moderne vorübergehend geschlossen. Als Ausweichmöglichkeit wird über den Sommer die sogenannte SCHAUSTELLE (wir berichteten) - ein Interimsgebäude - auf die Ecke an der Gabelbergerstraße gesetzt. Wie schätzen Sie die Lage der SCHAUSTELLE ein?
Sicherlich war es die richtige Entscheidung auf die Ecke Gabelsbergerstraße/Türkenstraße zu gehen, anstelle auf die 'grüne Wiese' zwischen den Pinakotheken. Durch den Bestand an Galerien und der Wohnbebauung haben wir von vornherein räumliche 'Kommunikationspartner', die uns bei der Wahrnehmung unterstützen. Die Lage weist auch auf den geplanten 2. Bauabschnitt hin. Wir sind dort gut sichtbar, was uns sehr wichtig ist.
Die SCHAUSTELLE wird auch als Chance verstanden, ein jüngeres Publikum anzusprechen. Ist das Ihrer Meinung nach überhaupt notwendig?
Ich kann natürlich immer nur aus einer noch kurzen Erfahrung und aus der Sicht des Architekturmuseums sprechen, also nicht über alle Sammlungen urteilen. Obwohl es an der TUM tausende Architekturstudenten gibt, sehe ich nur wenige bei unseren Vernissagen und nur ca. 15 der über 320 Mitglieder der Freunde des Architekturmuseums sind Studenten. Daher sehe hier ein deutliches Kommunikationsproblem, das wir mit Hilfe der SCHAUSTELLE nun angehen wollen. Durch unterschiedliche Workshops in Kooperation mit der Fakultät für Architektur, beispielsweise von Hermann Kaufmann, Florian Nagler oder Sofie Wolfrum wollen wir die Studenten gezielt zur SCHAUSTELLE führen und an den Projekten beteiligen.
Auch die fachübergreifende Zusammenführung der vier verschiedenen Häuser ist Ihnen wichtig. Wie kann man sich eine solche Zusammenführung vorstellen? Gibt es da schon Ansätze und Ideen?
Vor der offiziellen Pressekonferenz kann ich noch keine Namen nennen, aber wir sind im Gespräch mit Teams, die jeweils mindestens zwei Disziplinen vereinen, zum Beispiel einem Künstler-Architekten Paar. Zudem sind Projekte geplant, bei denen wir bewusst die Mauern des Hauses verlassen und das Feld des Urban Gardening erkunden. Das Museum beschränkt sich daher nicht nur darauf, die vier Fachbereiche miteinander zu verknüpfen, sondern es geht auch darum, wie wir nach außen in die Öffentlichkeit hineinwirken können. Wir sind im Moment dabei, das genaue Programm zu definieren, zu kalkulieren und die Künstler zu werben.
Das heißt, Sie haben ein bestimmtes Budget für die Künstler, die dann mit Ihnen zusammen arbeiten?
Ja, wir haben ein Budget das sich aus Mitteln des Staatsministeriums, Audi und Eigenmitteln zusammensetzt. Dadurch, dass wir in diesem Jahr keine Ausstellung in der PDM zeigen können, haben wir zusätzlich etwas Geld übrig, das wir sonst für eine Ausstellung ausgegeben hätten.
Was folgt nach der SCHAUSTELLE?
Die SCHAUSTELLE ist von Anfang an als ein temporäres Gebäude tituliert. Nur durch diese Deklaration haben wir die Gelder bereitstellen können und die Pläne entwickelt. Oft wird gefragt, ob sie denn nicht länger bestehen bleibt. Diese Frage halte ich für unsinnig. Vielleicht wäre es nach 6 Monaten erfolgreichem Betrieb angemessen danach zu fragen, dann könnte man Überlegungen bezüglich der SCHAUSTELLE angehen. Fest steht jedoch, dass die finanziellen Mittel ebenso temporär sind wie das Gerüst und wir die Besucher nach den Umbaumaßnahmen wieder in das Gebäude der PDM leiten möchten. Allerdings hätte ich schon eine Idee, wie sich zumindest Teile der SCHAUSTELLE weiter nutzen lassen könnten. Ich denke es wäre sinnvoll, die Betonplatte, die als Fundament für das Gerüst dient, weiterhin als Plattform für temporäre Nutzungen zu erhalten.
Das ist eine gute Idee! Also möchten Sie eine Art „Sommerpinakothek" etablieren?
Ich habe in New York ein ganz ähnliches Projekt betreut. Beim MoMA gibt es das PS1 drüben in Long Island City. Hier werden im Hof sogenannte Sommerpavillons errichtet. Durch einen Wettbewerb wird ein Architekturbüro ausgewählt, das dann mit Hilfe eines bestimmten Budgets diese Fläche für drei Monate 'bespielen' kann. So etwas könnte ich mir für München auch vorstellen. Zudem unterstützt ein solches Format die Verjüngung der Pinakotheken und ließe sich gut als Gemeinschaftsprojekt umsetzen.
Finden Sie es schade, dass kein Münchner Architekt die SCHAUSTELLE entworfen hat?
Nein, ganz und gar nicht. Ich empfinde es als ein Zeichen der zunehmenden Offenheit Münchens, dass viele Architekten aus Berlin hier tätig sind. Zum Beispiel Sauerbruch Hutton, Wilfried Kiehn, Paul Kahlfeldt und Wilfried Wang hier im Gestaltungsbeirat. Die Architekturfakultät ist noch lange nicht so international wie sie gern sein würde, da ist noch viel Spielraum, und ich denke es ist gut, Leute von außen reinzuholen.
Sie hatten den Wettbewerb beim PS1 erwähnt... Ich denke, wenn es den Entwurf von Jürgen Mayer H. Für die SCHAUSTELLE nicht schon gegeben hätte, und die Zeit nicht so gedrängt hätte, wäre hier ein Wettbewerb auch sinnvoll gewesen, oder?
Ja das stimmt. Für einen Wettbewerb war die Zeit aber einfach zu knapp. Deswegen plädiere ich auch dafür die Betonplatte zu erhalten, denn vielleicht könnte man im kommenden Jahr nach dem Vorbild aus New York hierzu einen Wettbewerb ausloben.
Wollen Sie schon etwas zu Ihren Plänen nach der SCHAUSTELLE sagen?
Eine Ausstellung ist schon angekündigt, sie heißt Afritecture – Bauen in Afrika und wird von September 2013 bis Januar 2014 gezeigt. In der Ausstellung werden wir zeitgenössische Architekturpositionen aus Afrika zeigen und wichtige Bauprojekte vorstellen. Wir möchten einen Dialog aufbauen und das Bewusstsein für das Bauen in Afrika schärfen. Außerdem beleuchten wir Positionen und Fragestellungen, die uns langfristig, vielleicht nicht direkt in München, aber hier in Deutschland beschäftigen könnten.
Wie sind sie auf das Thema gekommen? Was verbindet Sie mit Afrika?
Ich war vor wenigen Jahren in Burkina Faso und Südafrika und habe dort für meine Ausstellung small scales big change für das MoMA recherchiert. Dabei ist mir bewusst geworden, dass afrikanische Architektur in Europa nur wenig bekannt ist und die meisten Architekturausstellungen in den letzten Jahren, die sich mit anderen Kontinenten beschäftigen, überwiegend Beispiele aus China zeigen. Das hat meines Erachtens ökonomische Gründe. In Afrika ist das anders, dort gibt es noch wahnsinnig viel zu entdecken...
Wie könnte so ein Dialog aussehen? Funktioniert er über die Lehre oder über die Praxis beim Bauen in Afrika?
Hermann Kaufmann von der TUM ist ein gutes Beispiel dafür, wie dieser Dialog funktioniert. Er lehrt Holzkonstruktion und ist Experte auf seinem Gebiet. Jedes Jahr reist er mit seinen Studenten nach Südafrika, um dort beispielsweise Kindergärten oder Schulen zu bauen. Dabei bekommen die Studenten nicht nur die einmalige Gelegenheit praktisch anzupacken und ihre Entwürfe in die Tat umzusetzen, sondern gleichzeitig findet auch eine Art Wissenstransfer statt. Die Studenten arbeiten vor Ort eng mit den einheimischen Handwerkern zusammen, wobei handwerkliches Knowhow und Fachwissen ausgetauscht werden. Solche Prozesse wollen wir in der Ausstellung hervorheben, und zeigen, dass Architektur nicht wie ein fertiges Objekt zu betrachten ist, sondern zur Beteiligung auffordert und dynamisch ist.
Wir stehen mit diesem Thema im Übrigen nicht als Sonderling dar. Das Goethe-Institut ruft dieses Jahr das „Afrika-Jahr" aus und auch die Kulturstiftung des Bundes hat ein Afrikaprogramm für 2013 aufgelegt. Wir möchten an diesem Thema teilnehmen und legen dabei natürlich den Fokus auf die Architektur.
Wie wollen Sie dieses Prozesshafte darstellen?
Wir werden in der Ausstellung sehr viel mit Filmen arbeiten. Mir liegt das Prozesshafte und Partizipative in der Architektur wirklich am Herzen und ich hoffe, dass auch die SCHAUSTELLE dazu einen Beitrag leisten wird, den transformativen Moment der Architektur darzustellen und auch die Stadt und das Publikum ein wenig 'transformiert' und zum Nachdenken angeregt wird. So lässt sich vielleicht auch nochmal über den 2. Bauabschnitt nachdenken, ob er genau so geplant werden sollte oder ob er sich vielleicht in einem neuen Format denken ließe...
Vielen Dank für das Gespräch!