Großes Kino in Sendling
Was macht man aus einem Industrie-Koloss, der nutzlos an einer verkehrsbelasteten Kreuzung irgendwo im tiefsten Münchner Süd-Westen steht? Viele Investoren hätten dieses Objekt wohl nicht geschenkt bekommen wollen, doch in den letzten Jahren ändert sich das Blatt, und wie wir nicht zuletzt durch Muck Petzets Aufruf „Reduce Reuse Recycle" auf der Architekturbiennale 2012 wissen, ist der Markt um das Bauen im Bestand eröffnet. Nun gilt es sich die Sahnestücke zu sichern: Bunker, Fabrikhallen, Kirchen oder Heizkraftwerke – Eines spannender als das Nächste.
Natürlich braucht es für derartige Projekte viel Mut, Energie und das nötige Kleingeld. Bauherr, Architekt und Nutzer sollten sich gut verstehen, denn mit einem Großprojekt wie der Sanierung eines ehemaligen Gas-Versuchs-Kraftwerk aus den 1970er Jahren, das Anfang der 1990er Jahre stillgelegt wurde, ist sicherlich nicht zu spaßen. Doch die Freude über dieses Projekt stand Architekt Markus Stenger und den Investoren Jürgen Reiter und Peter Schönhofer (KARE Design) zumindest während der Pressekonferenz am 4. Juni ins Gesicht geschrieben. Enthusiastisch führte Stenger durch die außergewöhnliche Architektur.
Was dürfen wir erwarten? Die drei Gebäudekomponenten Warte/Steuerung, Generatoren-Halle und Türme (zwei 80 Meter hohe Schornsteine) werden in ihrer unterschiedlichen Dimensionierung erhalten bleiben. Dazwischen gibt es viele Chancen für Neues: Das ehemals rein aus statischen Gründen eingezogene Zwischengeschoss bietet Platz für fertig eingerichtete 'Show-Apartments', die luftige Generatoren-Halle wird mit einer Galerie erweitert und als zentrale Eingangshalle fungieren, in der mächtigen Stahlträgerkonstruktion des ehemaligen Doppelkamins ist Platz für Büroflächen und sogar eine Biergarten-Terrasse mit Aussicht bis zu den Alpen...
Architekt und Investor sind sich einig: das Heizkraftwerk soll als ein solches erkennbar bleiben. Das Nutzungskonzept passt sich den architektonischen Gegebenheiten an und spielt mit seinen Besonderheiten. Kreisförmige Öffnungen, durch die einst die Schornsteine geführt wurden, werden nun als Schacht für einen gläsernen Aufzug genutzt; die Laufkatze in der Generatoren-Halle wird wie eine Skulptur den Eingangsbereich markieren und grobe Sichtbetonflächen sowie viele kleine Details wie Schalter und Knöpfe der 'Kraftwerk-Maschine' werden nicht nur in den Ausstellungsbereich von KARE integriert, sondern an vielen Stellen des Gebäudes für seinen spezifischen Charakter sorgen.
KARE Design wird knapp 10.000 m² reine Ausstellungsfläche für sich in Anspruch nehmen. An der Drygalski-Allee 25 soll kein gewöhnlicher Showroom, sondern ein „Theater" entstehen wie Inhaber Jürgen Reiter betont. Ein multifunktionaler Bau, der sich für Events ebenso eignet wie für das Experimentieren mit neuen Ausstellungskonzepten. Daneben wird es Platz für schicke Büroflächen, Wohnungen und Gastronomie geben. Im Februar dieses Jahres haben die Bauarbeiten begonnen, die Eröffnung ist für Frühjahr 2014 geplant.
Weitere Informationen:
Projektname: KARE-POWERHOUSE Möbelhaus mit Büroflächen und Tiefgarage
Architekt: Stenger2 Architekten & Ingenieure
Bauherr: KFV Immobilienverwaltung GmbH
BGF: ca. 15.000 m², davon ca. 10.000 m² Ausstellungsfläche
Investor: KARE Design GmbH aus München. Gründer Jürgen Reiter und Peter Schönhofen haben vor über 30 Jahren mit einem Regalladen in der Maxvorstadt angefangen. Inzwischen ist das Unternehmen mit 6 Geschäften in München und über 40 Niederlassungen weltweit vertreten.
Zum Heizkraftwerk:
Das Kraftwerk an der Drygalski-Allee in München-Obersendling wurde zeitgleich zur zivilen Kernenergie 1961 als Gas-Versuchskraftwerk entwickelt. Die Technik sollte zentral und ohne Leitungsverlust das umliegende Stadtviertel beliefern. Mit der ersten von Siemens gebauten Gasturbine sorgten Generatoren für Energie auf Abruf. Die geringen Anlaufzeiten der Erzeugung machten sich die Versorger bei Engpässen zu Nutze. Die Entstehung des Fernwärmenetzes durch die Nutzung der Abwärme war ein willkommener Nebeneffekt.
Nach der Stilllegung befand sich der Zweckbau für lange Jahre außerhalb der breiten öffentlichen Wahrnehmung. Die Arbeiten zur Asbest- und Schadstoffentsorgung sind seit 2011 abgeschlossen. Das Kraftwerk hat heute eine zentrale Rolle innerhalb eines Gebietes, dem eine größere Entwicklung bevorsteht. Die Höhe der Schornsteine bildet städtebaulich einen wichtigen Referenzpunkt für den Stadtteil. Für eine 9 ha große Fläche in Sichtweite des Kraftwerks steht das Wettbewerbsergebnis aus (Eon-Areal).
Visualisierungen: © 3dkad, Ulrike Walter
Grund- und Aufrisse: © Stenger2 Architekten & Ingenieure