Ein Kommentar von Gernot Brauer, Münchner Forum, zum Abrissvorhaben des Hotels Königshof am Stachus...
Für den Abriss und Neubau des Hotels Königshof am Stachus liegt der Stadt ein Antrag auf Vorbescheid vor. Die dafür zuständige Lokalbaukommission schaltet zwar die Hauptabteilung Stadtplanung des Planungsreferats ein. Die Stadtverwaltung werde den Antrag im übrigen aber geschäftsmäßig behandeln, heißt es bei der SPD-Stadtratsfraktion. Dies zum Anlass zu nehmen, auch städtebauliche Chancen für den öffentlichen Raum rund um den Hotelkomplex zu erörtern und dazu den Stadtrat einzuschalten, hält man in der SPD nicht für nötig. Offenbar fehlt die Antenne dafür, was eine solche Verantwortlickeits-Ablehnung anrichten kann.
Am Stachus ist absehbar, dass die Stadt dem Hotel Königshof einen 34 Meter hohen Neubau und damit ein zusätzliches Stockwerk genehmigen wird. Der Hotelbetreiber will seine Bettenkapazität eigentlich auf 300 Betten verdoppeln und hatte das damit begründet, dass ein Hotel der Spitzenkategorie erst ab dieser Größe dauerhaft wirtschaftlich zu führen sei. Zwischen dem Kaufhof auf der einen und dem Justizpalast auf der anderen Hotelseite will die Stadt aber keinen dominierenden Baukörper zulassen. Ideen, wie sie die Studentenklasse von TU-Professor Fink im Plantreff ausgestellt hat, sind von dem, was die Stadt für denkbar hält, nahezu unendlich weit entfernt.
Auch die meisten Studenten am Fink-Lehrstuhl für Integriertes Bauen sind in denselben Fehler verfallen, den die befragte Fraktion derzeit macht: nur einen Bau zu betrachten, nicht aber das Gefüge der Stadt an diesem Ort. Am Projekt Hotel Königshof zeigt sich nach Überzeugung des Münchner Forums exemplarisch, in welche Sackgasse dieses Wegschauen führt.
Das jetzige Hotel Königshof füllt das Grundstück, das dem Betreiber gehört, vollständig aus. Das gesamte Gelände rundherum ist öffentlicher Raum. Das Münchner Forum hatte vorgeschlagen, die sich bietende Chance des Neubaus zu nutzen, um den öffentlichen Raum zwischen der großen Münchner Fußgängerzone in der Neuhauser-/Kaufingerstraße und der kleineren in der Schützenstraße (die mittelfristig um den Bahnhofsvorplatz erweitert werden soll) insgesamt attraktiver und das „Scharnier" Stachus aus einer bloßen Verkehrsdrehscheibe zu einem auch für Passanten attraktiven Bereich zu machen. Während der Bauzeit wird er ohnehin leiden, weil die Baustelleneinrichtung ja irgendwo hinkommen muss. Von Einsicht in das hohe Gut der Münchner Stadtgestalt keine Spur. Und danach – alles auf Anfang? Soll die Schauseite des Hotels gegenüber dem Stachus-Rondell wieder nichts als eine gewöhnliche Hotelvorfahrt werden und im übrigen der Autoverkehr vorbei brausen? Oder registrieren die in der Stadt für deren Entwicklung Verantwortlichen endlich, dass dieser Verkehr dank der immer besseren Erschließung gerade der Altstadt mit dem öffentlichen Verkehr und wohl auch dank der Parkraumbewirtschaftung seit Jahrzehnten rückläufig ist, dass für eine Neubewertung öffentlicher Räume also Handlungsspielräume bestehen?
Danach sieht es bisher nicht aus. Zwar soll das zwei Jahrzehnte lang bis auf das personelle Mindestmaß „abgespeckte" Planungsreferat, wie aus dem Rathaus zu hören ist, sechs zusätzliche Planstellen bekommen, hoffentlich entschließt sich der Stadtrat dann auch diese Kapazität in die Stadtplanung zu stecken mit der nötigen Kompetenz. Einstweilen bleibt das nur eine vage Hoffnung.
Worum geht es? Anders als der östliche Teil des Karlsplatzes, das Stachus-Rondell, ist die Westseite dieses wichtigsten Münchner Platzes bisher außerordentlich hässlich. Das Münchner Forum hatte vorgeschlagen, auch diese Seite für Passanten aufzuwerten. Dazu könnte unter anderem im Falle eines Hotelneubaus dessen Vorfahrt in das Gebäude hinein verlagert werden, damit die Seite zum Stachus-Rondell als erlebbarer öffentlicher Raum gestaltet werden kann, vielleicht auch mit einer als Freischankfläche auszuweisenden Hotelterrasse. Weiter hatte das Forum angeregt, dass die vom Stadtrat schon 1996 – vor einer halben Generation – begonnenen Überlegungen zu einer Neubewertung des Altstadtrings in der Sonnenstraße inzwischen realisierungsreif sind. Damals hatte der Stadtrat entschieden, die dortige Verkehrsführung neu zu bewerten, wenn rückläufiger Autoverkehr dafür die nötige Basis bietet. Nun existiert diese Basis, und nun bietet die Hotelplanung Anlass genug, die Sache in Angriff zu nehmen.
Besteht übergreifender Handlungsbedarf? Ja, und zwar in hohem Maß. Was aber geschieht? Erst einmal nichts. Die Mehrheitsfraktion des Stadtrats will nicht erkennen, dass Handlungsmöglichkeiten bestehen, und schon gar nicht, dass man sie auch nutzen sollte. Verwiesen wird nur auf bisher ungelöste Planungsaufgaben im näheren und weiteren Umfeld: auf den Hauptbahnhof und den Bahnhofsvorplatz, auf die Schwanthalerstraße im Zusammenhang mit der Bayerstraße und der Sonnenstraße.
Warum will die Stadtpolitik Münchens diese sich bietenden Chancen eines zukunftsweisenden Stadtumbaus nicht sehen und schon gar nicht anpacken? In wohlorganisierter Verantwortungs-Abwesenheit überlässt das Rathaus Einzelentscheidungen wie über den Hotelneubau der Verwaltung und blendet den städtebaulichen Zusammenhang, der kommunalpolitisch zu debattieren wäre, aus. Eine Stadt ist aber mehr als die Summe seiner Baufelder. Und öffentliche Räume sind mehr als nur Verkehrsflächen.
Verteidigt das Rathaus den Individualverkehr gegen seine vermeintlichen Feinde? Das Münchner Forum fordert einen weiteren bürgergerechten Stadtumbau keineswegs in Frontstellung gegenüber dem Individualverkehr, sondern in Abwägung aller Interessen, die für die urbane Mobilität von Belang sind.
Wir wollen daran erinnern,
• dass die Lebensqualität einer Stadt sich in hohem Maß über ihre öffentlichen Räume definiert, also über die Straßen und Plätze, Gärten und Landschaften, die die Bürger betreten, wo sie sich aufhalten wollen und können;
• dass Erschließungs- und Aufenthaltsfunktionen ausbalanciert werden müssen – Jahrzehntelang hat die Erschließungsfunktion besonders für den Autoverkehr aber derart im Zentrum gestanden, dass die Aufenthaltsfunktion und -qualität darüber an vielen Stellen verloren gegangen ist. Das muss sich wieder ändern.
• dass jedes Stadtquartier ein ausreichendes Maß an öffentlichen Räumen benötigt. Besonders schlecht gestellt ist in dieser Hinsicht die eng bebaute Ludwigsvorstadt mit ihren schmalen Bürgersteigen. Gerade sie braucht zusätzliche öffentliche Räume; und ein dementsprechender Umbau des Altstadtrings könnte sie erzeugen.
• dass München eine der wichtigsten deutschen Kongress- und Touristenstädte ist und Auswärtige noch stärker als Einheimische die Stadt in ihren öffentlichen Räumen erleben. Die Fußgängerachse Hauptbahnhof-Stachus-Deutsches Museum-Gasteig verdient auch unter diesem Aspekt besondere Beachtung.
• dass schließlich eine qualitative Aufwertung des Altstadtrings zwischen Stachus und Sendlinger-Tor-Platz für Fußgänger je nach dessen Ausgestaltung den erwünschten Nebeneffekt haben wird, den Fußgängerstrom aus dem Bahnhofsviertel nicht nur in die Neuhauser Straße zu lenken, sondern verstärkt auch in das Hackenviertel.
All das erfordert langfristige, integrativ angelegte und weit greifende Arbeit – eine Arbeit, zu der zumindest die Mehrheitsfraktion im Rathaus derzeit keine Kraft zu haben scheint. Weitergehende Überlegungen, hieß es dazu nämlich in einer Aussprache mit dem Münchner Forum, könnten „in zehn Jahren" einmal Thema sein.
Bilder: Studenten-Entwürfe des Lehrstuhls für Integriertes Bauen | © TU München