Nicht nur als Stadträtin und bei ihrer Arbeit in der Stabsstelle für strategische Planungsprojekte bei den Stadtwerken München hat sich Sabine Nallinger einen Ruf als Expertin in der Stadt- und Verkehrsplanung gemacht. Als Oberbürgermeister-Kandidatin der Grünen verfolgt sie stadtverträgliche und zukunftsweisenden Lösungen für einen ökologischen Stadtumbau in München. Wir wollten es noch ein bisschen genauer wissen und fragten in einem Interview nach...
Auf Ihren Wahlplakaten steht, dass Sie München zur „grünsten Metropole Europas" machen möchten, falls Sie zur Oberbürgermeisterin gewählt werden. Wie sieht so eine grüne Metropole – unabhängig von der politischen Färbung – aus?
Mit „grünste Metropole Europas" ist gemeint, dass wir es uns in München leisten können und wollen eine lebenswerte, soziale und natürlich auch grüne Stadt zu werden – da wo wir es noch nicht sind. Das heißt vor allem, dass wir von der autogerechten zur menschengerechten Stadt werden wollen, wo das Leben auf der Straße stattfindet, die Begegnung von Menschen gefördert wird. Und es heißt, dass ich den Anspruch habe, dass wir die besten Lösungen in anderen Städten untersuchen, daraus lernen und sie – wenn es passt – in München anwenden. Neue Stadtteile wie Freiham sollen europaweitere Vorbilder werden!
Wie empfinden Sie persönlich den öffentlichen Raum in München? Wie sollte er sich entwickeln?
Der öffentliche Raum ist in der Altstadt, an der südlichen renaturierten Isar und im Englischen Garten wunderschön. Aber im ganzen Rest der Stadt merkt man, dass seit 50 Jahren der Diskurs des Stadtentwicklungsplans autogerechte Stadt gewirkt hat. Jetzt ist es Zeit für einen „Stadtentwicklungsplan öffentlicher Raum bzw. menschengerechte Stadt" bei dem der Mensch im Vordergrund steht.
Wie lässt sich dieser Stadtentwicklungsplan mit dem derzeitigen Bauboom, der doch Flächen 'verbraucht', verbinden?
Mit klaren grünen Prioritäten bei der Flächennutzung und guter – echter! – Bürgerbeteiligung. Meine Prioritäten bei Flächennutzung sind in dieser Reihenfolge: bezahlbares Wohnen, sozial nutzbarer öffentlicher Raum, dann MVV, Rad- und Fußverkehr und dann erst das Automobil. Das geht nicht von heut auf morgen! Aber am Sonntag können die Münchnerinnen und Münchner mit ihrer Stimme für mich und die Grünen diese Prioritätensetzung bestellen. Die anderen beiden großen Parteien stehen für die Priorität Auto – siehe die Tunnelwunschkonzerte!
Für viele Münchner ist das im Moment Alltag: im Innenhof, wo ehemals Garagen und verwilderte Gärten lagen, gibt es nun Baustellen neuer Wohnanlagen. Wie kommt die Bebauung dieser Flächen zustande und wie bzw. nach welchen Kriterien 'lenkt' die Stadt diese Nachverdichtung?
Im Moment tun wir uns schwer mit dem Lenken der Nachverdichtung. Manches können wir auch gar nicht lokal lenken. Aber auch hier wird es mit mir als Oberbürgermeisterin eine klare Prioritätensetzung geben – Nachverdichtung zuallererst in die Höhe (das heißt nicht Wohnhochhäuser, sondern 1-2 Stockwerke mehr und das über Jahrzehnte). Und: bestehende Grün- und Naturflächen und Plätze sind für Bebauung Tabu. Wo wirklich noch was geht, sind nicht mehr benötigte Autoverkehrsspuren und Restflächen der überdimensionalen Verkehrsinfrastruktur.
Im Moment orientiert sich die Qualität der Architektur ja stark an der Marktnachfrage unter dem Stichwort „Luxus". Würde sich an diesem Trend unter Ihrer Position als OB etwas verändern?
In privates Baurecht können wir kommunal nur sehr schwer Eingreifen. Allein mit Verteidigung von bestehendem bezahlbarem Wohnraum werden wir aber nicht weiterkommen, bei derzeit 30.000 Menschen Zuzug pro Jahr ins Stadtgebiet (und nochmal 30.000 ins Umland!). Da erzählt uns die SPD ein Märchen. Wir werden das städtische Wohnungsbauziel so schnell wie möglich anheben müssen, von derzeit 7.000 Wohnungen auf künftig 9.000 Wohnungen – wenn's geht auch 10.000 Wohnungen pro Jahr. Nur so können wir bezahlbaren Wohnraum erhalten und neuen hinzugewinnen! Eine höhere Qualität ist mir wichtig. Wir müssen deshalb mehr Bebauungspläne erstellen und konkrete Qualitätskriterien vorgeben. Letztendlich muss die Oberbürgermeisterin mit den Architekten und der Immobilienwirtschaft in Diskussion kommen und gemeinsam Lösungen entwickeln.
Wie ließen sich damit auch die stetig steigenden Mietpreise verhindern?
Das zu versprechen wäre politisch ein Leichtes – machbar ist es aber nicht. Was ich versprechen kann, ist, dass ich mich mit aller Kraft dafür einsetzen werde die Miet- und übrigens auch die Kaufpreisentwicklung zu stabilisieren. Mein Ziel ist es, dass jede dritte Mietwohnung in München in städtischer bzw. genossenschaftlicher Hand ist, dann können wir als Stadt die Mietpreisentwicklung steuern. Und wir werden den Münchnerinnen und Münchnern auch reinen Wein einschenken. Alle 25 Stadtviertel werden einen Beitrag zur Nachverdichtung leisten müssen! Im Gegenzug möchte ich auch mehr in den guten öffentlichen Raum und die soziale und kulturelle Infrastruktur investieren. Davon soll ebenfalls jedes Viertel profitieren! Wir brauchen ein 100-Plätze-Programm – umgesetzt in nur 4 Jahren.
Was halten Sie in diesem Zusammenhang von dem neuen Gesetzesentwurf der Bundesregierung, der vorsieht, dass Maklergebühren zukünftig vom Vermieter, anstatt wie bisher vom Mieter, getragen werden sollten?
Es wird endlich Zeit, dass derjenige, der eine Dienstleistung bestellt, diese auch bezahlt. Es muss auch alles getan werden, dass die Vermieter diese Kosten nicht auf die Mieter durch die Hintertür umlegen.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: was würden Sie sich für die Stadt in diesem Jahr am ehesten wünschen?
Ich wünsche mir, dass ich einen guten Start als Münchens erste Oberbürgermeisterin habe, dass es uns gelingt, die Bürgerinitiativen, die gegen Nachverdichtung kämpfen und die, die für bezahlbaren Wohnraum protestieren, gemeinsam für einen urbanen Aufbruch mitzunehmen – für mehr bezahlbaren Wohnraum und dass wir ein paar schnelle nachholende Schritte beim öffentlichen Raum machen. Wir können uns das leisten! München hat gerade mal noch 967 Millionen Euro Schulden – nächstes Jahr plant der Kämmerer alleine die Rückzahlung von weiteren 553 Millionen Euro. Es wird Zeit, dass wir kräftig in die Menschen unserer Stadt investieren! Wir können und sollten den städtischen Investitionshaushalt dafür von aktuell schon 700 Millionen Euro im Jahr auf 1 Milliarde im Jahr ausweiten. Das können wir uns leisten!
Vielen Dank für das Gespräch!