Der Münchner Fotograf und Künstler Hubertus Hamm zeigt im Königssaal des Nationaltheaters eine klingende Hommage an Wassily Kandinsky...
Hubertus Hamms ‚Molded Mirrors - Synchronized' sind als Hommage an den Maler Wassily Kandinsky konzipiert, hundert Jahre nach dessen erstem abstrakten Aquarell (1913). Sie nehmen Bezug auf dessen Vorstellungen über die Verbindung zwischen den verschiedenen künstlerischen Metiers und setzen diese in einer Installation um. Für Kandinsky war die Musik Vorreiter einer vorbildlosen Gestaltung, die eben keine Abbildung, sondern reiner Ausdruck des Seelenzustandes sei. Ein Bild sollte nach Kandinsky Vorstellungen wie eine Farbsymphonie komponiert sein, die verschiedenen Künste zu einer neu zu gestaltenden Einheit zusammenfinden, Ideen, die um 1910 hochaktuell waren und mit Namen wie Wagner, Scriabin u. a. verbunden sind.
Die ‚Molded Mirrors' nehmen als Gegenstand einer ‚Bildgestaltung' eine sehr eigenartige Position ein, denn sie sind räumlich wie Bilder, aber zugleich zeitlich wie Musik. Die Bilder entstehen hier einzig durch Reflexionen einer Wirklichkeit, auf deren Gestaltung der Rezepient unmittelbar Einfluss nimmt, weil durch dessen eigene Bewegungen unterschiedliche Bilder reflektiert werden, also stets eine zeitliche Dimension gehalten ist.
Der ‚künstlerische' Eingriff in die hochreflektierenden Edelstahlplatten (3 x 1 m, auf einer Stahlplatte montiert) liegen in der von Hamm vorgenommenen gezielten Deformierung. Es sind stetig entstehende Bilder, die die gesamte Bandbreite zwischen reflektiertem Abbild und deren völliger Deformierung bis hin zur Abstraktion aufspannen. Sie sind dort ein kontinuierliches Nacheinander der Bewegungen, die unmittelbar Wirklichkeit des Betrachters sind, aber dessen Welt nicht wirklich zeigen, sondern sie verfremdend künstlerisch ausloten.
Dabei ist und verbleibt die Edelstahlplatte als photographisches Bildprinzip, denn eine Kamera ist im weitestes Sinn ein Spiegel, der die vor ihm stattfindendeWirklichkeit reflektiert bzw. einfängt und konserviert. Und es ist sicher kein Zufall, dass die Photographie nach wenigen Jahrzehnten ihrer Entwicklung durch die Möglichkeit Bilder in großen Mengen zu erzeugen, zum Film findet, der sich dann tatsächlich zu einer der heutigen Formen des von Kandinsky erahnten Gesamtkunstwerks („wahrhaft monumentale Kunst") aller Metiers realisiert hat.
Hamms Molded Mirrors fügen eine ganz eigene Lösung ein, in dem der Bild-Entstehungsprozess als Reflexion angelegt ist, in die sich die von Moment zu Moment entfaltende Gegenwart zurückführt, also zeitlich verbleibt. Die musikalische Dimension löst Hamm durch eine Komposition aus, die er selbst aus Tonmaterialien zusammengefügt hat, die aus den Platten selbst kommen, jede einzeln jeweils als eigenständig im Sinne von Klangfarbe und zeitlicher Ordnung charakterisieren, dabei eher wie im Film emotionale Färbung, denn eigenständiges Metier sind.
"Ich habe in dieser Hommage versucht, in allen Bestandteilen rein photographisch zu bleiben. Die Farbgebung ist für mich eine Art photographischer Essenz der vielen Bilder und Eindrücke, die ich durch die Kamera sehen durfte. Die Musik ist ein Sprechen oder Singen der Platte selbst, ich habe die Klänge wie in einer photographischen Gestaltung zu Gebilden angeordnet, die sich zeitlich entfalten, so wie wir das im Film oder in einer Erzählung kennen. Aber ich habe bei allen Ausflügen in andere Metiers nirgends meine Metier-Position aufgegeben, sondern diese als eine Art Ariadne-Faden genutzt, um mich in den Raffinessen und Möglichkeiten der mir fremden Metiers nicht zu verlieren. Man kann diese Position mit der eines Film-Regisseurs vergleichen, der ja auch Bilder in der Zeit anordnet, fast alle Metiers nutzt, aber am Ende eigentlich selbst ‚nur' fotografisch' tätig gewesen ist." Hubertus Hamm
Text: Thomas Heiber
Die Ausstellung im Königssaal des Nationaltheaters München kann noch bis Sonntag, den 13. April besucht werden.