eine mögliche Bedeutung zurück: Eine Schokoladenschüssel aus der Bäckerei wird zum Stahlhelm, ein Vorhang zum...
Edward Beierle und Jutta Görlich arbeiten schon lange zusammen, genau seit dem Unterfangen, das Leben der alten Bäuerin Cilli Sigl in dem von Peter Haimerl revitalisierten Bauerhaus „Birg mich, Cilli!" nachzuempfinden.
Geblieben ist seitdem die schwarzgekleidete Frau, die immer wieder an verlorenen Orten auftaucht, vor dem Abriss eines Hauses, vor einem Umbau oder wenn sich ein ganzes Dorf verwandelt. Sie stellt, legt oder setzt sich in Räume kurz vor deren Verschwinden und nicht erst kurz nach dem Verlassenwerden, sie belebt diese noch einmal, bewohnt sie aber nicht.
In diesen alten menschlichen Behausungen schwingt die Haltung vorheriger Bewohner mit. Ihr Leben war innerhalb der einen großen christlichen Erzählung und im Jahreszeitenlauf stabil, der Mensch war gesichert im strikten Ablauf der ritualisierten Zeit.
Edward Beierle und Jutta Görlich unternehmen den Versuch, diese vergangene Konzentration und Sicherheit in die flirrende Gegenwart zu transportieren und diese Orte zu dokumentieren, zu konservieren und mit der schwarzgekleideten Frau nochmals kurzzeitig wieder zu beleben.
Die schwarzgekleidete Frau benutzt die noch in den Häusern oder im Ort vorhandenen Dinge nicht wie gewöhnlich, sondern spielt mit ihnen und gibt ihnen kurzzeitig eine mögliche Bedeutung zurück: Eine Schokoladenschüssel aus der Bäckerei wird zum Stahlhelm, ein Vorhang zum Schleier, eine Parkbank zum Beichtstuhl, ein Kaugummiautomat zum Sofa, eine Kuchentheke zum Schneewittchen-Sarg. Mit den gefundenen Gegenständen spielt sie Geschichten, aber auch Ereignisse, die erzählt wurden. Kurzzeitig schlüpft sie in die Rollen der ehemaligen Bewohner und zeigt Situationen, die stattgefunden haben könnten.
Andre Menschen kommen dabei nicht vor.
Zitate aus der Kunstgeschichte andeutend, lässt die schwarze Frau die Festigkeit der Vergangenheit kurzzeitig wieder auferstehen und trägt diese nun mithilfe der Fotografie in die Gegenwart.
Zeiten und Bildwelten stehen für einen kurzen Augenblick parallel nebeneinander und verdichten sich im fotografischen Moment. Konzentriert und lachend trifft sich die schwarzgekleidete Frau der Gegenwart in der Vergangenheit, danach tapeziert sie mit Edward Beierle die Wände Blaibachs.
Das Zentrum von Blaibach wird zum Museum.
Die großen Bildplakate finden sich an Scheunenwänden und Garagentoren, an den Schaufenstern verlassener Geschäfte, im Konzerthaus, gegenüber des Bürgerhauses, an den Wänden des verlassenen Freibades und in den Fensterscheiben unbewohnter Häuser.
Die Bilder zeigen, wie Blaibach vor dem Umbau war und was damals möglicherweise passiert ist. Die Ausstellung umspielt das städtebauliche Entwicklungsgebiet des Modellprojektes Ortschaft Mitte.
Jutta Görlich, geb. 1971 in Straubing _ studierte Germanistik und Geschichte an der Ludwig-Maximilian-Universität München, danach Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in München bei Horst Sauerbruch . Sie ist Teil des Büros Peter Haimerl und arbeitete bei „Cocobello", bei „Birg mich, Cilli!", beim „Penzkofer Haus Viechtach", beim „Bürgerhaus in Blaibach" und beim „Konzerthaus Blaibach" mit.
Jutta Görlich ist Kunstpädagogin und bildet als Seminarlehrerin für Kunst am Wittelsbacher Gymnasium in München junge Lehrerinnen aus.
Edward Beierle, geb. 1968 in München, ist seit 1995 als freier Fotodesigner mit den Schwerpunkten Portrait, Bildjournalismus, People und Landschaft international für Magazine und Agenturen tätig. Seine Ausbildung erfolgte an der staatlichen Fachakademie für Fotodesign in München.
Als bildender Künstler ist er u. A. Mitglied der Künstlergruppe "Jeansgruppe", "atelierheld" und arbeitet, neben eigenen Projekten, projektbezogen mit verschiedenen Künstlern und Gruppen in den Bereichen Foto-/Videokunst und Performance zusammen.
Alle Fotos © beierle/goerlich