Die Ausstellung „Alte und neue Architektur im Blauen Land" (23.1. bis 8.2.) im Kultur- und Tagungszentrum Murnau zeigt, wie qualitätsvolle Architektur in der Region aussehen kann. Kurator Dietfried Gruber erklärt die Hintergründe.
Herr Gruber, Sie haben zusammen mit Christiane Lottmann und Philipp Rehm die Ausstellung „Alte und neue Architektur im Blauen Land" kuratiert. Wie haben Sie die Exponate ausgewählt?
Zunächst habe ich rund 70 Architekten in der Region angeschrieben und um Vorschläge von Objekten zum Thema gebeten, die sie selbst gebaut haben oder kennen. Leider kam da wenig Resonanz. Deshalb haben wir uns selbst umgeschaut und -gehört, was zu 75 potenziellen Objekten führte, aus denen eine Jury rund 50 auswählte, von denen wir nun 42 zeigen. Diese sind aber keine repräsentative Erhebung, weil es sicher noch mehr Sachen gibt, die wir nicht entdeckt haben. Stattdessen möchten wir beispielhaft vorführen, wie qualitätsvolle Architektur in unserer Gegend aussehen kann.
Gibt es dabei einen roten Faden?
Weltbewegende Entwürfe sind nicht dabei, aber das muss auch gar nicht sein. Das Blaue Land ist mehr ein Wohnsitz von Leuten, die nach München pendeln oder von dort aus bewusst in unsere Gegend und nicht an den Starnberger See gezogen sind. Dabei handelt es sich um das gehobene Bürgertum, wie es sich schon vor 100 Jahren hier seine Villen mit einem gewissen Anspruch gebaut hat. Murnau war und ist deshalb eine Besonderheit unter den hiesigen Orten. Genauso gut gibt es aber ein sehr bodenständiges Publikum, das in der Gegend verwurzelt ist und lange Zeit sehr rückwärtsgewandt und traditionsbewusst eingestellt war. Das klingt jetzt ab, so dass auch etwas anderes als die handwerklich-traditionelle Auffassung des Bauens angenommen wird. Insgesamt spiegelt die Auswahl der Ausstellung den Anspruch des Wessobrunner Kreises wider, dass nur Qualität zählt, aber dabei unterschiedliche Richtungen und erwünscht sind. Ein Merkmal moderner Architektur in regionaler Auffassung ist noch die Einbeziehung der Landschaft, indem z.B. große Glasflächen eine Verbindung zwischen Innen und Außen schaffen und Materialien verwendet werden, die das Land seit jeher hier hergegeben hat – Holz, Ziegelmauerwerk, Naturstein, auch Beton ist da nichts Fremdes.
Ein Teil der Projekte sind sanierte Altbauten. Was war Ihnen dabei wichtig?
Bei den instandgesetzten Häusern haben wir darauf geachtet, dass sie der heutigen Auffassung des Wohnens angepasst und von häufig vorkommenden Verunstaltungen befreit wurden, dabei aber ihrer ursprünglichen Gestalt und Logik treu geblieben sind. Dabei haben die Besitzer oft viel Geld, Zeit und Herzblut investiert – eine echte Liebhaberei, die in einigen Fällen museumsreif ist.
Wie reagieren die hiesigen Behörden auf innovative Ideen?
Die Haltung der Genehmigungsbehörden hat sich zum Glück seit den 90er Jahren gewandelt. Aber selbstverständlich wirken Gemeinden und Landratsämter immer moderierend und nivellierend, wenn es um sehr individuelle Vorstellungen des Bauens geht. Ihr Ziel ist es, dass sich alles einordnet, nichts unangenehm herausragt und aufregend ist. Aber das ist zum größten Teil wohl auch richtig. Denn der pure Individualismus kann auch eine Zumutung werden, wie man in Gegenden sieht, wo weniger geregelt wird. In Österreich sind dadurch Extreme im Positiven da, aber die negativen muss man auch sehen. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass auch bei uns ein Trend zu Toleranz zu spüren und der Wille zur Kooperation zwischen Behörden und Architekten da ist – im Gegensatz zur Zeit vor 20, 30 Jahren, als es nach meiner Erfahrung auch in Gestaltungsfragen mehr Konfrontationen zwischen gesetzlichen Regelungen und den persönlichen Interessen der Bauherrn und Architekten gab. Das hat u.a. Besonderheiten wie den Erweiterungsbau des Marc Museums in Kochel von Diethelm & Spillmann möglich gemacht.
Welche Rolle spielen regionale Handwerker bei neuer Architektur?
Die sind die Voraussetzung für gute Arbeit. Zum Glück sind wir mit solchen Betrieben gut bestückt, die auch vernünftige Preise haben. Ihr Kapital ist das Knowhow aus der Vergangenheit, z.B. im versierten Umgang mit dem Material, gekoppelt mit Innovationsfreude. In dem Zusammenhang muss man aber auch sehen, dass sich alles zu industriellen Fertigungsmethoden hin entwickelt. Der Zimmerer bezieht sein Holz seltener vom Sägewerk, sondern von der Holzindustrie. Fenster werden nicht mehr in der örtlichen Schreinerwerkstatt hergestellt, sondern von einem hochtechnisierten Fensterhersteller, der mit CNC-Maschinen arbeitet.
Kollidiert das Interesse an einer anderen Art des Bauens nicht mit der Vorliebe der Touristen für traditionelle Architektur? Fremdenverkehr ist schließlich eine wichtige Einnahmequelle für das Blaue Land.
Das Traditionelle im Sinne oberflächlicher Imitationen heimatlicher Motive (Jodlerstil) wird nicht mehr gepflegt. Dafür entwickelt sich ein Architekturtourismus für die moderne Richtung. Hoffentlich wird es bei uns so werden wie in Südtirol, wo wirklich vorbildliche Bauten entstanden sind, die durchaus mit traditionellen Techniken in Einklang stehen, aber wesentlich darüber hinausgehen. Diese werden auch von Touristen gerne besucht. Ein Beispiel wird das Heimatmuseum in Garmisch-Partenkirchen sein, das unser Vorsitzender Wolf-Eckart Lüps plant. Das liegt mitten im Zentrum von Partenkirchen und wird sich sehr gut einfügen, aber in ganz moderner Auffassung.
Wie stark kann der Wessobrunner Kreis die Zukunft in einer bestimmten Richtung prägen?
Wir sind ungefähr 145 Mitglieder, davon 120 Architekten. Jeder kann die Richtung vertreten, die er für richtig hält. Das muss nicht nur „Lärchenholz-Moderne" sein. Die Zeit bringt es allerdings mit sich, dass die verwirklichten Gestaltungen immer ähnlicher werden. Daran wird man später wieder ihre Entstehungszeit ablesen können.