Ein Interview mit Dr. Claus Lehner, Vorsitzender der Geschäftsführung, GBW Gruppe über passive Holzhäuser und aktive Sanierungsmaßnahmen
Herr Dr. Lehner, Sie haben unlängst ein engagiertes Projekt fertig gestellt: ein Passivholzhaus. Wir haben es kürzlich in unserem Newsletter vorgestellt. Kennen Sie sich mit Holzbau aus?
Mit Holzbau kenne ich mich sogar ganz gut aus; ich bin selbst Architekt und habe im Studium das Thema Holzbau als Vertiefung in Stuttgart bei Peter Hübner gehabt.
Holzbau ist demnach ein Herzensthema für Sie?
Ja. Damals ging es aber eher um Holzständerbau mit viel Glas und Transparenz. Bereits in den 90er Jahren habe ich versucht, ein Holzhaus in Modulbauweise ähnlich wie die Bregenzer auf den Markt zu bringen. Doch das war vor 20 Jahre zu früh, weil viele wichtige Themen wie Anschlüsse und andere Details noch nicht geklärt waren. Auch das Thema Brandschutz gestaltete sich damals in Baden-Württemberg schwierig. Nun passt es aber sehr gut. Vor vier Jahren hat sich die GBW Gruppe an dem damals geschlossenen Umweltpakt Bayern beteiligt und als Pilotprojekt ein Mehrfamilien-Holz- Passivhaus im innerstädtischen Kontext entwickelt.
Bei Ihrem Haus ist das Material auch an der Fassade zu sehen – im Gegensatz zu den Berliner Beispielen wie dem von Kaden Klingbeil mit verputzter Fassade.
Das ist die Auseinandersetzung mit der Frage: Überlasse ich das Haus der natürlichen Witterung? Oder behandle ich das Holz, damit es auch nach Jahren so aussieht wie heute?
Wie kam es zu dieser Idee?
Die kam aus unserer Entwicklungsabteilung, die auf jeden Fall ein Passivhaus machen wollte. Weil ich der Meinung war „Wenn ein ökologischer Ansatz, dann richtig", habe ich für ein Pilotprojekt plädiert und die Vollholz-Variante durchrechnen lassen. Die Kosten können natürlich nicht denen eines normalen Stahl-Beton-Gebäudes entsprechen, weil wir im Schnitt bei einem Bedarf von 2.500 Euro pro qm liegen, was hier – mit Tiefgarage – 1.000 Euro pro qm mehr ausmacht. Obwohl das nicht sehr wirtschaftlich ist, wollten wir zeigen, dass es Alternativen gibt. Möglich war das nur, weil uns das Grundstück nichts gekostet hat, das im Zuge der Nachverdichtung auf einer Hoffläche entstand, die uns gehört.
Bauen Sie immer mit den gleichen Architekten, oder arbeiten Sie mit verschiedenen Planern?
Wir suchen uns für jedes Vorhaben den passenden Architekten heraus und nehmen uns dafür auch viel Zeit. Dafür braucht man ein Netzwerk...
Welche Chancen rechnen Sie dem Holzbau hierzulande in der Zukunft zu?
Österreich und Schweiz sind da schon viel weiter, weil man dort mit dem Baustoff besser umgehen kann und sogar Schulen und Kindergärten als Holzbau errichtet. Vorarlberg ist berühmt dafür. Deutschland setzt noch auf soliden Stein, wobei im Süden mehr Holz verwendet wird als andernorts. Aber solange die Kosten höher sind, wird sich daran kaum etwas ändern. Da wir persönlich allerdings sehr zufrieden mit dem Ergebnis unseres Projektes sind, überlegen wir jetzt, bei Sanierungs-und Aufwertungsmaßnahmen von Bestandsgebäuden einfach mal einen „Holzkopf" an die Riegel zu setzen.
Sehen Sie darin eine Perspektive für die Sanierung des Nachkriegsbestands?
60 bis 70 Prozent der Bestände großer Bestandshalter sind aus der Zeit der 1950er bis Anfang der 1970er Jahre. Wir selbst haben rund 3.500 Gebäude. Diese bis 2030 zu sanieren, ist die Aufgabe einer ganzen Generation und kostet 800 bis 1000 Euro pro Quadratmeter. Die entstehenden Kosten umzulegen, kollidiert leider oft mit den Interessen der Mieter. Aber wenn wir nicht investieren, bekommen unsere Nachfolger Probleme, die sich dann um einen nicht gepflegten Bestand kümmern müssen. Es gibt eine Faustregel, nach der ein Gebäude spätestens nach 60 Jahren hinsichtlich Dach und Fassade saniert werden muss. Bei den Gründerzeitbauten, die einen halben Meter dicke Außenwände haben, reicht es, die Holzfenster auszutauschen und neu zu streichen. Die Nachkriegsgebäude sind aber - weil es damals schnell gehen und günstig sein musste - einfachster Wohnungsbau.
Welche Maßnahmen werden im Moment getroffen?
Im Moment stehen unabdingbare Maßnahmen an, wie die Dächer und Heizungsanlagen zu erneuern. Bei der Fassade nehmen wir die Isolierung runter und ersetzen sie durch eine zeitgemäße, tauschen Fenster und Eingangstüren aus. Damit reduzieren wir den Energiebedarf um ca. 50 Prozent, womit wir dem Druck durch massive, neue Gesetze der Bundesregierung zum Klimaschutz entsprechen. Unsere Strategie ist, bei 150 Mio. Euro Mietertrag pro Jahr die Hälfte in Erhalt, Sanierung und Instandhaltung zu investieren. Wenn es gut läuft, brauchen wir 20 Jahre, um den Bestand ein Mal gedreht zu haben.
Mangelt es Ihrer Meinung am Verständnis für diesen Prozess?
Deutsche Mieter haben einen anderen Anspruch als in anderen Ländern, leben in ihrer Einnahmen-Ausgaben-Welt. Umfragen haben ergeben, dass sie eine energetische Sanierung ablehnen, sobald diese mit Kosten verbunden ist. Der Gebäude-Eigentümer wiederum lebt im Konflikt zwischen Ökonomie, Ökologie und sozialem Auftrag, der insgesamt sehr stark auf dem Rücken der Wohnungsgesellschaften ausgetragen wird – obwohl wir eigentlich Teil der Lösung und nicht des Problems sind. Denn wer schafft sonst bezahlbaren Wohnraum in großem Maße? Den komplexen Gesamtzusammenhang und die Zwänge, denen wir unterworfen sind, verstehen vieler der Mieterinnen und Mieter nicht. Sie sehen, dass sie sich die neue Miete wahrscheinlich nicht mehr leisten können und sind dagegen – in einer teuren Stadt wie München sowieso.
Und die Entwicklung in München ist keine andere, als die, die Barcelona oder London schon längst hinter sich haben. Und München möchte ja mitspielen bei den europäischen Metropolen. Durch ein diversifiziertes Abeitsangebot, Naherholung, FC Bayern, Wiesn etc. Dann hab ich auf der Kehrseite auch den Druck auf die Stadt...
Müsste man dann nicht für mehr Aufklärung sorgen?
Wir bieten jedem betroffenen Mieter Einzelgespräche an, sondieren die sozialen Härtefälle, schauen uns auch Rentenbescheide an und sprechen dann in einzelnen Fällen eine reduzierte oder keine Mieterhöhung aus. Oder wir bieten möglichst in der gleichen Umgebung eine Ersatzwohnung an. In Hamburg haben sich z.B. die großen Wohnungsgesellschaften mit der Stadt zu einem Sozialpakt zusammengeschlossen. Wir werden zusammen mit Mieterverbänden auch in diese Richtung etwas anstoßen, planen aktuell mit der Stadt eine Zusammenarbeit, damit wir Wohnraum für Erzieherinnen zur Verfügung stellen können.
Wer müsste bei einem Gremium Ihrer Meinung dabei sein?
Die Mieterverbände, Eigentümer großer Flächen, Städte und Kommunen, gerne auch Medienvertreter und Gutachter, die neutral beurteilen, ob ein Gebäude sanierungsbedürftig ist, damit die Diskussion auf einer neutralen Basis beginnt.
Und ein Mediator?
Ja, der auch. Ein Wohnungspakt München/Bayern – das ist ein wichtiges Thema, das man angehen muss. Denn wie gesagt: Die Wohnungsgesellschaften sind Teil der Lösung, nicht Teil des Problems. Das ist eine Chance, die man nutzen sollte.