Anregung zur Neuordnung des Großmarktgeländes in München – ein Gastbeitrag von Architekt Ulrich Pfannschmidt (jun.)
Der Münchner Großmarkt hat sich seit seiner Gründung zu einem der wichtigsten Umschlagplätze Europas entwickelt. Längst ist er daher auch über die historische Halle – eine der ersten Großstrukturen aus Stahlbeton – hinausgewachsen. Die räumliche Entwicklung scheint dabei stets von kurzfristiger Bedarfsdeckung getrieben gewesen zu sein, da sie wenig Gestaltungswillen erkennen läßt.
Seit einigen Jahren werden in mehrfacher Hinsicht Mängel und Unzulänglichkeiten der gewachsenen Anlagen beklagt, weshalb über eine Neuordnung diskutiert wurde. Ende 2013 haben sich die Beteiligten auf ein Entwicklungskonzept des Büros Albert Speer und Partner geeinigt. Dieses sieht die Zusammenfassung des gesamten Großmarktes innerhalb einer ca. 500 Meter langen neuen Halle östlich der Thalkirchner Straße vor. Damit könnte die Thalkirchner Straße wieder geöffnet und die frei werdenden Fläche für Wohnungsbau genutzt werden. In die denkmalgeschützte historische Halle soll das Volkstheater einziehen. Dieses Entwicklungskonzept sollte durch einen Architektenwettbewerb für die Halle konkretisiert werden. Mitglieder der Stadtrates brachten außerdem den Vorschlag ein, das Tragwerk der neuen Halle in Holzbauweise vorzusehen. Als Vorbild wurde die Mont Centis Akademie in Herne angeführt.
Seit diesen Entscheidungen scheint die weitere Entwicklung der Planungen erneut ins Stocken geraten zu sein. Angesichts des erheblichen Sanierungsstaus ist daher zu befürchten, dass nach langem Zaudern letztlich wiederum eine uninspirierte Hauruck-Lösung umgesetzt wird.
Schon die starke Fokussierung auf die neue Halle irritiert, denn die Maßnahme sollte eigentlich Anlass sein, das gesamte Quartier städtebaulich neu zu formulieren. Das Speer-Konzept liefert hierfür eine sinnvolle Grundlage, sollte aber nicht ohne weitere Differenzierung in die Bauleitplanung eingehen. So wäre zum Beispiel zu hinterfragen, ob die Konzeption der Großmarkthalle als monofunktionale, ausgedehnte und lediglich eingeschossige Struktur die richtige Antwort an diesem Ort ist. Mit einer Gebäudehöhe von schätzungsweise zehn Metern kann dieses Gebäude kaum die infrastrukturelle Bedeutung des Marktes architektonisch angemessen ausstrahlen.
Auch mit dem Gedanken an eine Holzbauweise scheint man sich bereits auf diese Richtung festgelegt zu haben. Das Referenzbeispiel in Herne zeichnet sich durch eine weitgehend aufgeglaste Gebäudehülle aus, die das Tragwerk wirkungsvoll zur Geltung bringt. Diese Bauweise ist aber in Herstellung und Betrieb äußerst kostspielig, widerspricht also der gebotenen Wirtschaftlichkeit. Nicht zuletzt erscheint sie auch aus raumklimatischen Gründen für eine Großmarkthalle ungeeignet, in der schnell verderbliche Lebensmittel gehandelt werden. Durch eine kreisförmige Grünanlage von der Umgebung seltsam mutwillig abgeschirmt, taugt das Beispiel auch wenig als Vorbild für städtebauliche Einfügung.
Um dem Neubau der Großmarkthalle trotz der knappen finanziellen Mittel ein angemessenes städtebauliches Gewicht zu geben, sollte daher über eine multifunktionale Gebäudestruktur nachgedacht werden. Als inspirierendes Beispiel sei die neue Markthalle in Rotterdam von MVRDV aufgezeigt. Neben der plakativen Wirkung dieses Baus ist die Struktur interessant, die an das Appartementhaus mit integriertem Schwimmbad von Henri Sauvage in Paris angelehnt zu sein scheint: Die Gebäudehülle ist raumhaltig und nimmt Wohnungen auf. Mit einer "Etagennutzung" dieser oder ähnlicher Art wäre auch dem knappen Bauraum in München besser Rechnung getragen.
Ulrich Pfannschmidt (jun.)