Die Grenzen der Toleranz: Beleidigung oder freie Meinungsäußerung? Eine Veranstaltung anlässlich der Charlie Hebdo-Tragödie. Mit Joachim Bernauer, Matthias Lilienthal und Hito Steyerl, moderiert von Okwui Enwezor.
Die Morde an Journalisten und Polizisten in der Pariser Redaktion der Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" haben zu neuen öffentlichen Debatten geführt – über die Beziehung zwischen Intoleranz und freier Meinungsäußerung, Zensur und dem Recht, Empfindlichkeiten zu verletzen – seien sie kultureller, religiöser, politischer oder ideologischer Natur. Doch wer entscheidet, wo die Grenzen der Redefreiheit gezogen werden? Und wer hat das Recht, die freie Meinungsäußerung einzuschränken – unabhängig davon, wie und warum eine Aussage als beleidigend empfunden wird?
Diese Fragen, die sich nach den Morden von Paris stellen, können auch aus dem Blickwinkel aktueller Konflikte in globalen, multikulturellen Gesellschaften analysiert werden. Diese werden besonders dann virulent, wenn Beleidigungen, die auf reiner Intoleranz beruhen, unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit kundgetan werden. Doch gibt es einen Punkt, an dem beleidigende Bilder, Äußerungen und Darstellungen nicht mehr toleriert werden können? Oder ist Intoleranz bestimmten Formen der Meinungsäußerung gegenüber dasselbe wie Zensur? Kann es in heutigen, zunehmend pluralistischen, multikulturellen und globalen Gesellschaften überhaupt eine Sphäre grenzenloser Redefreiheit geben?
Diese Fragen sind im künstlerischen und kulturellen Bereich umso relevanter, weil sie sich genau an dem Punkt treffen, an dem Institutionen einen offenen und uneingeschränkten Raum für kontroverse Ideen und Konzepte bieten müssen.
Das Haus der Kunst hat drei Kulturschaffende zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, um über diese Themen nachzudenken und damit verbundene, kritische Fragen näher zu beleuchten.
Es diskutieren Joachim Bernauer, Matthias Lilienthal und Hito Steyerl, Moderation: Okwui Enwezor, Direktor Haus der Kunst. In deutscher und englischer Sprache.
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Matthias Lilienthal (geb. 1959 in Berlin), ab 2015 Intendant der Münchner Kammerspiele, war freier Journalist, Regieassistent am Wiener Burgtheater, Dramaturg am Theater Basel und lange Zeit Chefdramaturg und prägender Mitgestalter an Frank Castorfs Berliner Volksbühne. Von 2003 bis 2012 machte er sich weltweit einen Namen als künstlerischer Leiter des Berliner HAU (Hebbel am Ufer), das 2004 und 2012 als "Theater des Jahres" ausgezeichnet wurde. An die tausend Produktionen hat Lilienthal in seinen neun Jahren am HAU herausgebracht, 120 pro Spielzeit. 2014 verband er eine Professur in Beirut mit der Festivalleitung des "Theater der Welt" in Mannheim.
Die Filmemacherin und Autorin Hito Steyerl (geb. 1966 in München) lebt und arbeitet in Berlin. In ihren essayistischen Dokumentarfilmen, Installationen und Texten beschäftigt sie sich mit Fragen der Globalisierung, des Feminismus und der postkolonialen Kritik. Dabei bewegen sich ihre Arbeiten an der Schnittstelle zwischen Film und Bildender Kunst sowie zwischen Theorie und Praxis. Hito Steyerl war Teilnehmerin der documenta 12 in Kassel und ist am Deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig 2015 beteiligt.
Joachim Bernauer (geb. 1961) leitet die Kulturabteilung des Goethe-Instituts. Er studierte in Berlin Gesang sowie Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie. Er promovierte über die Lyrik und Poetik Friedrich Schillers ("Schöne Welt, wo bist du?" Berlin, E. Schmidt 1995). Mit Curt Mayer-Clason übersetzte er „Portugiesische Lyrik seit Pessoa" (Tabacaria No. 4, 1997). Von 1999 bis 2002 war er als Leiter der Künstlerresidenz "Villa Aurora" in Los Angeles tätig. Es folgten sechs Jahre als Leiter der Programmarbeit der Region Südamerika am Goethe-Institut São Paulo. Anschließend leitete er das Goethe-Institut Portugal und von Januar bis Oktober 2014 den Bereich Film, Fernsehen, Hörfunk in der Zentrale des Goethe-Instituts in München.