Einen Blick auf die zeitgenössische Architekturszene in Lateinamerika vermittelt Prof. Fernando Luiz Lara.
Die Schwerkraft (Gravitation) ist seit jeher eine wesentliche Komponente in der Architektur. Lateinamerika bildet hierbei keine Ausnahme. Einfach ausgedrückt, versuchen wir permanent, uns mit schweren Massivkonstruktionen vor den Naturgewalten zu schützen. Diese Herausforderung schwebt im wörtlichen Sinn wie ein Damoklesschwert über unseren Köpfen. Der Verweis auf die Schwerkraft ist an dieser Stelle von wesentlicher Bedeutung, da es im Hinblick auf die technische Umsetzung einen wichtigen Unterschied zwischen dem zwanzigsten und dem einundzwanzigsten Jahrhundert gibt: Während man zur Überwindung der Schwerkraft im zwanzigsten Jahrhundert Leichtkonstruktionen einsetzte – wie die beispielhaften Werke von Oscar Niemeyers Pampulha, die Kirchen von Félix Candela oder die Ziegelschalen von Eladio Dieste zeigen – steht das einundzwanzigste Jahrhundert – sowohl tektonisch als auch materialtechnisch – verstärkt für schwere Massivkonstruktionen und den damit verbundenen Aufwand, der erforderlich ist, um stabile Strukturen zu schaffen. Die Gravitation wird in diesem Fall zu einem wichtigen Aspekt, mit dem man sich zwingend auseinandersetzen muss; im Spanischen und Portugiesischen wird der Begriff übrigens häufig verwendet, um zu suggerieren, dass etwas von Dringlichkeit, Bedeutsamkeit oder Ernsthaftigkeit geprägt ist.
Fernando Luiz Lara ist Autor des kürzlich veröffentlichten Titels "Modern Architecture in Latin America: Art, Technology and Utopia" (dt. Moderne Architektur in Lateinamerika: Kunst, Technologie und Utopie), der ersten umfassenden Abhandlung über die Geschichte und die Entwicklung der modernen Architektur in Lateinamerika. Der Bildband wurde in Form einer Übersicht gestaltet und konzentriert sich schwerpunktmäßig auf Schlüsselbeispiele/Paradigmen, die in chronologischer Reihenfolge von 1903 - 2003 angeordnet sind. Er umfasst eine Vielzahl von Ländern, historische, soziale und politische Rahmenbedingungen sowie Objekte/Bauprojekte, die von kleinen Häusern über Stadtentwicklungspläne bis hin zu architektonischen Strömungen reichen.
In seinem Vortrag vermittelt Prof. Fernando Luiz Lara einen umfassenden Überblick über moderne Architektur in Lateinamerika und in welchem Bezug diese zu den neuesten Strömungen in der heutigen modernen Architektur steht. Er geht dabei auf die Entwicklung verschiedenartiger und paralleler Fachgebiete/historischer Stränge in der Architektur sowie die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Ländern ein. (Vortrag auf Englisch)
Fernando Luiz Lara, PhD, ist Architekt und Associate Professor sowie Vorsitzender des Brazil Center am Lozano Long Institute of Latin American Studies an der University of Texas in Austin. Er ist Mitglied des brasilianischen Institute of Architects sowie dem brasilianischen Ableger von DOCOMOMO, der Internationalen Vereinigung für die Dokumentation und den Erhalt von Bauwerken und städtebaulichen Ensembles im Stil der Moderne.