Neue Kunstinstallationen in Münchner Wohnanlagen am Westpark und im Schlossviertel Nymphenburg...
Auch private Bauherren fühlen sich der Kunst am Bau verpflichtet und realisieren entsprechende Projekte in und an ihren Neubauten – so wie die in Hannover ansässige Ärzteversorgung Niedersachsen mit den ihr angeschlossenen Versorgungswerken für ihre beiden Münchner Wohnanlagen im Schlossviertel Nymphenburg und am Westpark.
Die beiden Kuratoren Florian Matzner und Sabine Weingartner wurden damit betraut, einen Wettbewerb unter Künstlern der jüngeren Generation aus München auszurichten, um die bestehende Architektur der Neubauquartiere mit Kunstwerken zu bereichern. Aus insgesamt 30 Wettbewerbsbeteiligungen konnten acht zur Realisierung vorgeschlagen werden. Entstanden ist ein abwechslungsreicher Parcours von jeweils vier Arbeiten in den beiden Wohnanlagen.
Die Projekte
In der Wohnanlage im Schlossviertel Nymphenburg wirft Anja Buchheister mit ihrer Arbeit Embedded Shadows mysteriöse Schatten auf die Gehwege: ein Haus auf Stelzen, eine Palme, zwei Personen sowie überdimensionale Blumen. Tatsächlich sind die Schatten Mosaikarbeiten, zusammengesetzt aus den Gehwegplatten und dunkleren Steinplatten. Losgelöst von den ursprünglichen Objekten und der Sonneneinstrahlung werden die Schatten zu den eigentlichen (Kunst)objekten.
Die Bedeutung von Matthias Numbergers Skulptur Birds in Space erschließt sich mit ihrem Innenleben. Die Bronzeplastik in Form einer Raumstation, die auf einer hohen Stange über dem Erdboden schwebt, bietet in ihren Hohlräumen heimischen Singvögeln Nistplätze und kommt so einer konkreten Funktion nach. Gleichzeitig steht sie metaphorisch für den Traum vom Fliegen, von der Schwerelosigkeit im All und der grenzenlosen Freiheit.
Thomas Silberhorns Community Display ist ebenfalls funktional: Als interaktives physikalisches 3D-Pixeldisplay dient es den Bewohnern der Kommunikation, indem durch das Verschieben der Holzpixel Botschaften, Informationen und Zeichen generiert werden können.
Cyrill Lachauers Arbeit White skin - Black Mask / Black Skin - White Mask fügt dem Ensemble im Schlosspark eine kritische Komponente hinzu: Die Bronzeskulptur einer „Negerpuppe", mit der wohl nicht nur der Künstler als Kind gespielt hat, weist eine mitteleuropäische Physiognomie auf, die geschwärzt wurde, um sie in einen „Neger“ zu verwandeln. Diese stilisierende Maske des „Black Face“, die vor allem um die Augen und am Haaransatz zu erkennen ist, hat eine lange (weiße) mediale Geschichte und knüpft an (aktuelle) Rassismusdebatten an. Nicht nur vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Problematik der epochalen Flüchtlingswellen in der ganzen Welt regt diese Arbeit zur kritischen Reflexion und Diskussion an.
Die Bewohner und Passanten der Wohnanlage am Westpark werden in Zukunft auf dem Vorplatz von der Westpark Cloud empfangen. Dieses Gemeinschaftsprojekt von Mitra Wakil und Fabian Hesse zog in seinem Entstehungsprozess die Bewohner der Anlage direkt mit ein, indem sie die Möglichkeit hatten, sich mittels 3D-Technologie scannen zu lassen, um ein gedrucktes, dreidimensionales Porträt ihrer selbst in Form einer kleinen Büste zu erhalten. Ausgewählte Daten verwendeten die Künstler im Anschluss, um die lebensgroße zweiteilige Skulptur aus Aluminium herzustellen: Collageartig zusammengeführte Einzelporträts, im Modellierungsprozess überlagert, skaliert und verzerrt, verleihen ihr eine Anschauung, die zwischen fotografisch-realistischen und abstrakten Details changiert.
In der Eingangspassage der Wohnanlage hat Leonie Felle ihre Installation Tapetenwechsel realisiert. Die schweren Betonstützen ließ sie mit Aluminiumplatten verkleiden, bedruckt mit fotografischen Motiven von bemaltem Mauerwerk oder tapezierten Wänden, deren bunte Lieblichkeit durch Risse und Abblätterungen gebrochen ist. Die Motivik trägt nicht nur den Innenraum nach Außen, sondern zeugt auch von der Auseinandersetzung der Künstlerin mit dem Thema Zeit und Vergänglichkeit.
Die Schwelle zwischen Drinnen und Draußen, zwischen privat und öffentlich, thematisiert eine weitere Arbeit in dieser Wohnanlage: Heike Jobst' Open Door. Die Skulptur einer abstrahierten offenen Tür kann durchschritten werden; die Form des doppelten Türstocks nimmt ein buntes Mosaik auf dem Boden als eine Art Schattenwurf wieder auf.
Dem Traum vom Wohnen spürt die Aluminiumskulptur des Künstlerinnenduos Clea Stracke und Verena Seibt nach. Sie gleicht einem übergroßen Papierflieger, der aus dem Exposee der Wohnanlage gefaltet wurde, und nun, nach seinem Flug, mit der Spitze im Boden steckt. Er markiert gleichsam einen Bestimmungsort. Dies suggeriert auch der Titel der Arbeit: Sie haben Ihr Ziel erreicht, ein Satz, der an die Stimme aus dem Navi erinnert. Die endlose Suche ist vorbei, aus dem Wunsch wurde konkrete Wirklichkeit - zumindest für die Bewohner des Quartiers.