Lesetipps für den Sommer: Grundrissatlas – Handbuch Innenarchitektur – Städtebau. Im Ernst!
Ich persönlich finde den Sommer tatsächlich die beste Zeit, um mich mal wieder in Grundlagenliteratur zu vertiefen. Klatsch-und-Tratsch-Magazine lese ich vorzugsweise am See, Romantik-Schnulzen im Bett und Fachliteratur an verregneten Sommertagen auf der Couch – dann ist auch arbeitsmäßig weniger los als sonst und ich kann mir richtig Zeit dafür nehmen.
Und die brauche ich auch, als ich mich in die Grundrisse der 50 ausgewählten Projekte des Grundrissatlas Einfamilienhaus von Callwey vertiefe. Das Problem: neben den Computer-Zeichnungen sind auch immer wieder Handskizzen eingestreut – da juckt es mich in den Fingern, ein Skizzenpapier drüberzulegen und... Aber dann schaue ich mir doch lieber die professionellen Bilder des nächsten Projekts an. Das Buch ist schön übersichtlich aufgebaut: Zu jedem Projekt gehören – recht oberflächlich gehaltene – Grunddaten wie Standort, Wohnfläche, Bauweise, ein Kurzporträt des Architekturbüros und ein Kurzinterview, in dem der Entwurfsprozess beschrieben wird. Oft sind den realisierten Grundrissen Varianten zur Seite gestellt, an denen sich erkennen lässt, dass sich ein perfekter Grundriss eben nicht aus dem Ärmel schütteln lässt, sondern erarbeitet werden muss. Das wissen wir, aber das Buch richtet sich als Inspirationsquelle auch eher an künftige Bauherren. Und hier kommen wir zum eigentlichen Problem: Der Grundrissatlas ist kein Nachschlagewerk – der Titel daher eher irreführend. Es werden keine Grundregeln für die Planung eines EFH wie z.B. Mindestmaße von Räumen, Umgang mit Dachschrägen usw. vermittelt. Aber ja, der Regen draußen lässt sich damit ganz prima ignorieren.
Zur Inspiration ist wohl auch das Handbuch Innenarchitektur 2016/17 des BDIA aus dem Callwey Verlag gedacht – für alles andere bleiben die – schön bebilderten – Projektpräsentationen einfach zu sehr an der Oberfläche. Die 24 von einer Fachjury ausgezeichneten Innenarchitektur-Projekte sind alle von Mitgliedern des BDIA konzipiert – es wird also ein Schnitt quer durch die aktuelle Innenarchitekturlandschaft des BDIA gezeigt. Das finde ich völlig ok, wenn man denn einen anderen Titel gewählt hätte. Es ist eben kein Handbuch sondern ein Jahrbuch – angereichert immerhin mit lesenswerten Fachbeiträgen zu den diesjährigen Schwerpunkt-Themen Flächenverdichtung und Umnutzung. Abschließend werden alle Innenarchitekten des BDIA aufgeführt. Das ist auch ok bis hilfreich. Etwas störend sind die vielen Anzeigenseiten am Anfang und Ende des Buches. Da fühle ich mich schon fast an Modezeitschriften erinnert...
Waren die beiden vorangegangenen Bände eher was für's Auge, gibt es im Band 44 der Reihe Grundlagen bei DOM Publishers richtig was zu lesen: Denken wir an „Stadt", haben wir etwas Ganzes im Kopf. Die Begriffe Städtebau, Stadtplanung oder Stadtentwicklung meinen im Grunde das Arbeiten an der Stadt. Sie suggerieren uns, dass die Stadt das Ergebnis eines Gesamtkonzepts ist. Es gibt jedoch eine Wirkungskraft in der Dynamik des Stadtwerdens, die in solchen Theorien zu Architektur und Städtebau allzu gerne vernachlässigt wird: die Unbestimmtheit. In Stadt gibt es nicht! Unbestimmtheit als Programm in Architektur und Städtebau, unternehmen 16 Autoren den Versuch, diese Unbestimmtheit zu suchen und zu definieren. Ihr Ausgangspunkt ist nicht Stadt, sondern das Bewusstsein, dass Stadt als reproduzierbare Entität nicht existiert und somit nicht eingefordert werden kann. Die Bandbreite der Perspektiven ist dabei breit gewählt, sie schließt die geschichtliche, die praxisnahe wie die theoretische ein. Das liest sich nicht in einem Rutsch – aber der Sommer hält ja auch sicher mehr als einen Regentag bereit.