Alle wollen in die Stadt. Was passiert mit dem Land?
Der Baukulturbericht 2016/17 „Stadt und Land" der Bundesstiftung Baukultur liefert Fakten, Beispiele und Handlungsempfehlungen. Als offizieller Statusbericht zum Planen und Bauen in Deutschland ist er auch ein politisches Instrument. Die aktuelle Ausgabe thematisiert insbesondere baukulturelle Leitbilder für die Regionen abseits der Großstädte.
Deutschland ist ein Land der Klein- und Mittelstädte und der ländlichen Räume. Doch welche Perspektiven haben diese Orte angesichts des derzeitigen Booms der Metropolen? Die Bundesstiftung Baukultur legt den Fokus im aktuellen Bericht daher auf die Kernthemen „Vitale Gemeinden", „Infrastruktur und Landschaft" sowie „Planungskultur und Prozessqualität". Es wurden Verbände und Interessenvertreter, aber auch die Ergebnisse einer Bevölkerungsbefragung und einer Kommunalumfrage in die Erarbeitung des Berichts einbezogen.
„Auch in kleineren Gemeinden müssen im Spannungsfeld von Landschaft, Ortsbildpflege, Energieproduktion und Infrastruktur neue Zukunftsbilder entworfen werden", sagt Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, bei der Vorstellung des Berichts im Rahmen des Konvents der Baukultur 2016 in Potsdam.
Untersuchungen und Umfragen zur Lage der Baukultur in Deutschland zeigen, wie bedeutend Baukultur auch und gerade außerhalb der Metropolen ist und welches Potenzial für eine positive Zukunftsperspektive hiermit verbunden sein kann. Eine Lösung liegt nicht nur in den großen Städten, sondern auch in ländlichen Räumen, wo 45 % der Bevölkerung in Deutschland leben wollen.
Das sieht auch das Bundeskabinett in seiner Stellungnahme zum aktuellen Baukulturbericht so: Die gebaute Umwelt beeinflusst das gesellschaftliche Zusammenleben maßgeblich – positiv oder negativ. Denn der Zustand der Bauten in Städten und Dörfern wirkt nicht nur auf die optische Wahrnehmung, sondern auch auf das Gefühl der Menschen. Ob historische Bauten und das kulturelle Erbe gepflegt oder vernachlässigt werden, ob Häuser, Plätze und Straßen heruntergekommen sind oder zum Verweilen einladen – die Baulandschaft prägt das Zugehörigkeitsgefühl und die Identifikation der Menschen mit ihrer Heimat. Baukultur ist daher nicht nur eine Frage des Geldes. In jüngster Zeit wird das Thema "Bauen" vor allem unter ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten diskutiert. Das Bundesbauministerium rückt im Hinblick auf Integration auch soziale Bezüge in den Vordergrund.
„Gerade auf dem Land und in kleineren Städten hat die Qualität der gebauten Umwelt enorme Bedeutung für Identität, Charakter und Zukunft der Gemeinde", unterstreicht Reiner Nagel. „Hier gilt es, die Bürger für Baukultur zu begeistern und mutige Entscheidungen zu treffen". Vorrang für den Bestand, Ortskernentwicklung statt flächenintensiver Neubaugebiete und eine Beteiligung der Bewohner seien wichtige Lösungsansätze, um das Ziel einer vitalen Gemeinde zu erreichen oder sie zu erhalten.
Ein paar Positivbeispiele aus dem bayerischen Raum: Konzerthaus Blaibach, Kinderkrippe Schwandorf, Hofhäuser Greifenberg, E% Energieeffizienter Wohnungsbau, Rathaus und Platzgestaltung Bad Aibling
Der Baukulturbericht enthält folgende Handlungsempfehlungen an die Politik, um den ländlichen Räumen durch Baukultur eine Zukunftsperspektive zu geben:
- Ortskerne stärken und vitalisieren: Dafür sollen die Gemeinden verdichtet werden, als bauliche Voraussetzung für den Ausbau der Infrastruktur und die Landschaft attraktiv gestaltet werden - zum Beispiel durch Umnutzung von aufgegebenen landwirtschaftlichen Flächen, Einrichtung von Parks oder Gartenschauen.
- Dorf braucht Mischung: Die Nutzung ist der Schlüssel zur Vermeidung von Leerstand und Ödnis. Daher gilt es vor allem im Ortzentrum innovative, multifunktionale und bedarfsgerechte Konzepte zu entwickeln und zu betreiben - mit aktiver Beteiligung von Privateigentümern, Initiativen und Gewerbetreibenden.
- Baukultur muss Chefsache werden: Denkmalschutz und ortsspezifisches Bauen stärken das Ortsbild - und damit die Identität der Orte sowie ihrer Bewohner.
- Interdisziplinär denken und planen: Formale Planungsprozesse in den Verwaltungen sind intensiver mit informellen Wegen der Beteiligung zu verknüpfen.
Der Baukulturbericht 2016/17 sowie die Handlungsempfehlungen (ab Seite 134 ff ) stehen hier als Download zur Verfügung.