Präsident des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel kritisiert Wohnungsbaupolitik.
Der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) Stefan Thurn übte bei einer Pressekonferenz auf der Fachmesse BAU in München heftige Kritik an der Wohnungsbaupolitik von Bund und Ländern: „Es hätte wesentlich mehr passieren müssen. Die Bilanz des vergangenen Jahres ist, gemessen am Bedarf, immer noch miserabel: 2016 sind statt der tatsächlich benötigten 400.000 Neubauwohnungen voraussichtlich nur 280.000 Wohnungen neu entstanden. Der Wohnungsmangel in Metropolregionen, Groß- und Universitätsstädten hat sich längst zu einem massiven gesellschaftlichen Problem entwickelt.” Notwendig sei deshalb eine deutlich bessere Förderpolitik. Insbesondere der Bund sei hier gefragt. BDB-Präsident Thurn forderte – auch angesichts des aktuellen Überschusses von knapp 7 Milliarden Euro in der Bundeskasse – ein „Akut-Paket Wohnungsbau 2017”. Dieses müsse deutlich bessere Steueranreize bieten. Vor allem die Erhöhung der Abschreibung von 2 auf 3 Prozent bei der AfA sei längst überfällig. „Gerade weil die Lebensdauer von moderner Gebäudetechnik immer kürzer wird, muss der Staat allen, die in die Schaffung von Wohnraum investieren, auch eine bessere Abschreibung bieten”, sagte Thurn. Für Ballungsräume müsse es zusätzlich eine Sonderabschreibung geben. Zudem sei ein „effektiver Neustart des sozialen Wohnungsbaus” dringend notwendig. Künftig müssten jährlich mindestens 80.000 Sozialmietwohnungen zusätzlich gebaut werden.
Der Wohnungsbau wird eine zentrale Rolle im Wahljahr 2017 spielen, schätzt der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel. „Die Forderung nach bezahlbaren Mietwohnungen wird zu den Top-Wahlkampfthemen gehören. Ebenso das Ziel von einem Großteil der Menschen in Deutschland, sich eine bezahlbare Eigentumswohnung oder ein Eigenheim kaufen zu können”, sagte Stefan Thurn.
Eine Studie zum Wohneigentum, die das Pestel-Institut auf der BDB-Pressekonferenz in München vorgestellt hat, macht eine neue „Verlierer-Generation” auf den Wohnungsmärkten aus: Insbesondere die 30- bis 40-Jährigen können sich demnach immer seltener eine Eigentumswohnung oder ein eigenes Haus leisten. Mehr als zwei Drittel dieser Altersgruppe sind Mieter – mit steigender Tendenz. „Die Eigentumsquote der 30- bis 40-Jährigen ist in den vergangenen fünfzehn Jahren um mehr als 10 Prozent zurückgegangen. Dabei gehörten gerade die Jobstarter und Familiengründer zur typischen Klientel für Wohnungskauf und Hausbau”, sagte Matthias Zeeb vom Pestel-Institut.
BDB-Präsident Thurn forderte Bund und Länder auf, rasch neue Rahmenbedingungen für den Erwerb von Wohneigentum zu schaffen. „Die in vielen Bundesländern mit bis zu 6,5 Prozent regelrecht überdrehte Grunderwerbsteuer muss deutlich abgesenkt und bundesweit einheitlich werden. Darüber hinaus brauchen wir Freibeträge beim Erwerb einer selbst genutzten Wohnung. Und wer bauen oder kaufen will, muss auch eine ordentliche Finanzierung auf die Beine stellen können. Überzogene Auflagen für die Immobilienfinanzierung – wie durch die Wohnimmobilien-Kreditrichtlinie – darf es nicht geben.” Darüber hinaus forderte Thurn eine Bauland-Offensive für Wohneigentum: Insbesondere Kommunen sollten ihre Grundstücksreserven mobilisieren.
In München machte der Baustoff-Fachhandel auch auf einen „besorgniserregenden Trend” aufmerksam: So beobachtet der Handel einen spürbaren Rückgang bei der Modernisierung – insbesondere bei der CO2-Gebäudesanierung. Verantwortlich hierfür macht BDB-Präsident Thurn eine „Verunsicherungspolitik mit organisatorischen und bürokratischen Hürden”, die die Entsorgung von ausgedienten Dämmplatten „richtig teuer" gemacht habe: „Alte Styroporplatten gelten seit gut einem Vierteljahr als gefährlicher Abfall. Sie müssen bei einer Sanierung getrennt gesammelt und von einem Entsorger für Sonderabfälle abgeholt werden. Handwerker bekommen dabei einen Übernahmeschein und müssen diesen dann drei Jahre aufbewahren.” Dies habe dazu geführt, dass bei der Entsorgung derzeit „ein völliges Chaos" herrsche. Es sei daher nicht verwunderlich, dass es bei der energetischen Gebäudesanierung – anders als von der Klimaschutzpolitik der Bundesregierung gewollt – aktuell zu „dramatischen Einbrüchen" komme und es „enorme Absatzrückgänge bei Dämmstoffen” gebe. „Hier muss der Bund dringend die Notbremse ziehen und unnötige Hemmnisse für Energiespar-Sanierungen beseitigen. Und zwar so, dass die Praxis – Handel und Handwerker – damit leben und arbeiten können”, forderte Thurn.