Zeitgenössische Architektur in Bayern

Das Who is who

Wolfgang Joop, Piero Lissoni, Dimore Studio, Annabelle Selldorf, Luis Laplace trafen sich auf Einladung von AD zum ersten sogenannten Summit in München.

"Was macht man mit einer Million Euro? Man schränkt sich ein..." war eines der vielen Bonmots, die Herr Joop in einer Geschwindigkeit herausgehauen hat, dass man kaum mitkommt. Entsprechend schwer zu bremsen war er durch den interviewenden Chefredakteur Oliver Jahn. (Chapeau an dieser Stelle für all die, die eigentlich der schreibenden Zunft angehören und sich plötzlich ständig auf Bühnen wiederfinden.) "Ich wollte nie Fashiondesigner werden, weil ich das Wort noch nicht mal kannte. Ich betreibe kein Selbstmarketing; ich versuche nicht dem Zeitgeist die Hand zu geben, sondern einen Haken zu schlagen. Ich suche nach dem Bruch, wie man an meinem Anzug sieht..." Zu seinem gebrochenen Anzug trägt er definitiv keine seiner schicken Kompressionsstrümpfe, denn seine rot leuchtenden Socken sind so kurz, dass ein Stück Bein herausschaut. Auch ein beabsichtigter Bruch?

Ähnlich bunt und kapriziös zeigt sich das Mailänder Interior-Paar namens Dimore Studio. Sie verweigerten sowohl Vortrag als auch Projekt-Show und zeigten einen Film von geometrischen Formen und Dingen, die sie inspirieren oder interessieren. Prada, Carlo Scarpa, Damian Hirst, Christo, Wong Kar Wai, Lina Bo Bardi, Pierre Chareau, Hedi Slimane, Chanel, Walter De Maria, Fischli und Weiss, Jannis Counellis, Steve Bishop. Darunter auch vieles aus Deutschland, unter anderem: Gregor Schneider, Christiane F. (ein Ausschnitt aus dem Film "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo"), Thomas Demand, Walter Gropius und Imi Knoebel.

Annabelle Selldorf, die nach NYC ausgewanderte berühmte deutsche Interior-Lady, war anscheinend nicht so richtig angetan von diesen Inspirationsquellen. Sie saß in meiner Nähe und ich hörte etwas, was so ähnlich wie "shit" klang...

Auch Piero Lissoni zeigte seinen Kollegen gegenüber kein großes Interesse und guckte bei der Podiumsdikussion gerne in die Luft. Insgesamt konnte man deutlich merken, dass die Aufmerksamkeit des Publikums bei Zwiegespräch oder Projektvorstellung deutlich höher ist, als beim klassischen Format der Podiumsdiskussion. Selbst wenn das Gespräch von einem derart professionellen, charmant-fröhlichen und glänzend Englisch sprechenden Moderator wie Ole Tillmann geleitet wird.

In der Präsentation seiner neuesten Projekte war Lissoni amüsant und ließ den Running Gag entstehen, dass er nichts tun muss, weder akquirieren, noch sich um Umsetzungen kümmern, weil er so beautiful sei. Er beklagte sich über die zunehmende Isolierung von Menschen, weil alle nur noch auf ihre Telefone starrten und drohte an, seine nächste Hotellobby ohne WiFi zu planen... Anhand vieler Beispiele machte er klar, dass er in der Lage sei eine Kaffeekanne zu entwerfen und am nächsten Tag einen Skyscraper.

Der jungdynamische Superunternehmer Liran Wizman ist in seiner Funktion als CEO der Europe Hotel Private Collection Herr über etliche Hotels und legt bei der Auswahl des Interior Designers großen Wert auf die Berücksichtigung des jeweiligen Ortes. Sein Major Rule sei "Don't copy and paste!" Jedes Hotel muss anders sein und zum Ort passen...

Die Berlinerin Ilka Ruby hielt einen Vortrag über gelungenes Social Housing mit Beispielen von Corbusier über die Kalkbreite in Zürich bis zur Sargfabrik in Wien und rückte damit den Maßstab dessen, was wirklich wichtig ist zurecht.

Das Ganze fand unter dem Thema „How to live?" statt und wollte die Trends und Entwicklungen der Wohnkultur untersuchen. Am Abend wurde dann der AD Design Award an Nachwuchstalente aus vier Nationen verliehen. Mit dem Preis würdigt das Magazin vielversprechende Designer und Designbüros:

In der Kategorie Produktdesign ging der Preis an den Londoner Designer Sebastian Cox. Die Pariser Kreativagentur Ill Studio gewann in der Kategorie Urban Life. Ebenfalls aus Paris: Chloé Nègre, die den AD Design Award für das beste Interior bekam. Der Norweger Tormod Amundsen freute sich über den Award in der Kategorie Architektur.

Zur Fachjury zählten neben AD-Chefredakteur Oliver Jahn, die Architektin Ester Bruzkus, Kunstexperte Markus Keller (Allianz Deutschland AG), Laurenz Schaffer (BMW Group Design), Annika Murjahn (Caparol Icons) und Nadja Swarovski. Die Konzepte und Produkte aller Preisträger wurden im Rahmen des AD Design Summits ausgestellt und in der aktuellen Dezember-Ausgabe von AD Architectural Digest präsentiert.

Wenn nicht anders angegeben: Alle Fotos © Andreas Rentz/Getty Images für AD

Regine Geibel

„Neben meiner redaktionellen Tätigkeit plane ich unter dem Namen STUDIO REGINE GEIBEL ökologische Holzhäuser im Alpenraum und Ferienhäuser in Südeuropa; unter dem Namen 8 SENSES berate ich - zusammen mit Maren Boettcher - Hotels bzgl. Design-Refresh, Usability, Akustik, Beleuchtung“

Regine Geibel

Gründerin und Chefredakteurin