Ich fragte den Staatsminister a.D. auf der Architecture Matters Conference, ob sich das Spannungsverhältnis zwischen Architekten und Investoren negativ auf die Entwicklung und die Energie einer Stadt auswirke...
Architecture Matters Conference:
Money Talks: 2018 widmete man sich den ökonomischen Grundlagen von Architektur und Stadt: Was bedeutet Bauen in der Stadt bei einer zunehmenden Internationalisierung der Immobilienbranche? Wo, wie und für wen bauen wir eigentlich? Inwieweit kann es sich ein Investor „leisten", über diejenigen, die sein Gebäude später nutzen werden, nachzudenken? Inwieweit setzt sich ein Investment noch mit dem Ort auseinander? Was können, was sollen beide Seiten zum Wohl der Allgemeinheit beitragen?
Wie fühlen Sie sich hier unter lauter Architekten und Investoren?
Prof. Dr. Dr. h.c. Julian Nida-Rümelin
Unter Architekten fühle ich mich deshalb schon sehr vertraut, weil ich in einem Künstlerhaus aufgewachsen bin. Mein Vater war spezialisiert auf Kunst im öffentlichen Raum. Deswegen waren die Gesprächspartner in der Regel Architekten, sodass unser Haus oft voll von ihnen war. Von daher ist es in den Genen der Familie gewissermaßen angelegt; der Bruder meines Vaters war Architekt und ich selber habe auch überlegt Architektur zu studieren. Kunst, Architektur und Stadtentwicklung haben mich immer interessiert, deswegen habe ich auch Brücken geschlagen von der Philosophie zur Stadtplanung. Kein ganz fremdes Thema also...
Es ist zum einen kein Geheimnis und zum anderen kam es eben im Vortrag von Reinier de Graaf noch mal ganz deutlich zum Ausdruck: das Spannungsverhältnis zwischen Architekten und Investoren. Wie stark wirkt sich dieses Spannungsfeld auf eine Stadtentwicklung und auf das Wohlgefühl der Bewohner einer Stadt Ihrer Meinung nach aus?
Diese Interessensgegensätze gab es immer; es ist völlig klar, dass Investoren darauf achten, dass die Projekte effizient, im Zeitplan und möglichst günstig gebaut werden, dass die Entstehungskosten möglichst niedrig sind und sie möglichst gewinnbringend verkaufen. Die Architekten, die ihren Beruf sehr ernst nehmen, verstehen sich nicht in erster Linie als Optimierer ökonomischer Ziele, sondern als Gestalter, um nicht zu sagen als Künstler. Im Sinne von Aristoteles' Nikomarchischer Ethik, Buch 1, ist die Architektur die einzige echte Kunst, die es noch gibt. Techne– das heißt ja Kunst, Kunstfertigkeit, Handwerk, was ja alles in der Architektur enthalten ist, während die Kunst im engeren Sinne nicht mehr Kunst im antiken Sinne ist, weil sie ihre Funktion verloren hat, weil sie in die Museen gewandert ist und damit keine konkrete Rolle für die Lebenswelt mehr spielt. Und das ist das Faszinierende und dadurch ergibt sich ein Spannungsverhältnis.
Nicht immer in dem Sinne, dass man sagen könnte: „Lasst nur die Architekten machen wie sie wollen, dann kommt schon was Gutes raus..." Denn es gibt immer auch das Problem, dass Architekten, die Kultstatus genießen und mit einem gesunden Selbstbewusstsein ausgestattet sind, oft nicht so sehr daran denken, wer denn im Anschluss die Nutzer sind, der Gebäude, die sie planen. Zum Beispiel bei Museen; wir haben Museumsgebäude in Europa, die zwar als Gebäude faszinierend sind, aber sie erschlagen die Kunst. Mario Botta sagte man müsse fragen: „Was verändert sich in der Lebenswelt für die, für die wir bauen?" (Ethik des Bauens)
Da muss man sich von einem doppelten Zynismus lösen. Zum einen vom Zynismus der Investoren, die sagen: „Naja, es muss sich einfach rechnen, das andere ist uns egal." Und dem ästhetizistischen Zynismus mancher Architekten, die sagen, es gehe vor allem darum, dass es ein beeindruckendes Gebäude ist; was wer damit anfangen kann, interessiert mich nur zweitrangig.
Ich habe ja als Kulturstaatsminister 2001 den Bruno Taut-Preis für Baukultur eingerichtet, aus dem Grund, weil ich gesagt habe wir wollen die Baukultur ernster nehmen...