Neuzugang im Werksviertel Mitte ist Werk4: mit 86 Metern das höchste Hotelgebäude Münchens. Münchenarchitektur war bei seiner Grundsteinlegung und sprach mit Johannes Ernst von Steidle Architekten über Revitalisierung, lebendige Strukturen statt 08/15 Projekte und seine Idee von Sockel und Aufbau.
Ein steiler Gipfel war nicht umsonst das Symbol bei der Grundsteinlegung des Werk4. Mit 86 Metern wird es im Werksviertel Mitte das höchste Hotelgebäude Münchens und somit ein Hingucker sein. Mit Ilse Aigner und Joachim Herrmann kamen am Mittwoch, 18.4., gleich zwei Staatsminister zur Präsentation des Projekts in die Tonhalle, um vor geladenen Gästen mit Bauherr Werner Eckart zu diskutieren. Einigkeit herrschte zwar über den langen und komplexen Entwicklungsprozess für das 39 Hektar große Areal hinter dem Ostbahnhof, der 1999 begann. Mittlerweile sei das Werksviertel Mitte aber ein wichtiger Impulsgeber, wo laut Herrmann viel Neues gewagt werde. Aigner betonte die ideale urbane Lage des Geländes sowie sein großes kreatives Potenzial und hofft auf harmonisches Miteinander der unterschiedlichen Nutzer. Werner Eckart machte klar, wie wichtig ihm eine Revitalisierung der ehemaligen Pfanni-Gebäude und somit Erhalt und Umwidmung des Erbes seiner Familie sei. Wie diese statt einer „seelenlosen, konventionellen Bebauung" Stück für Stück Gestalt annehme sei aber nicht nur seine Idee sondern die von vielen Mitstreitern, darunter Johannes Ernst von Steidle Architekten als wichtiger Partner und Planer. Mit dem Werk4 bekommt Eckarts „Herzensprojekt" nun eine weithin sichtbare „Landmarke": oben 234 hochwertige Studios und Apartments, unten 500 preisgünstige Hostel-Betten sowie die Kletterhalle Heaven's Gate – ein multifunktionales Nutzungskonzept, das ab 2020 in Betrieb gehen soll.
Interview mit Johannes Ernst von Steidle Architekten:
Ihr Büro hat 2010 die so genannte Medienbrücke geplant. Knüpft Ihr Entwurf für das Werk4 an dieses Projekt an?
Die Medienbrücke war ein singulärer Auftrag, denn sie liegt am Rand vom Werksviertel Mitte und gehört streng genommen nicht dazu. Aber für die Bebauung des Areals hatte sie durchaus Signalwirkung. Mit ihr haben wir gezeigt, wie sich Vorhandenes mit Neuem kombinieren lässt. In dieser Hinsicht haben sich unsere Gedanken dann mit denen von Werner Eckart gekreuzt, der auf dem ehemaligen Werksgelände der Firma Pfanni nicht einfach alles abreißen sondern so viel wie möglich erhalten und umwidmen wollte. Beim Werk4 kommen jetzt auf ähnliche Weise Bestand und Neuhinzufügung wieder zusammen. Also ja, wir knüpfen daran an.
Waren die früheren Pfanni-Bauten denn so erhaltungswürdig?
Das Besondere am Werksviertel Mitte sind nicht nur die Gebäude an sich, sondern das, was in ihnen passiert. Es war uns wichtig, die Geschichte der Industrie und der darauffolgenden Zwischennutzung fortzuführen und neue Nutzungsschichten zu etablieren. In einem reinen Neubau wäre das kaum zu realisieren. Im Werk3 zum Beispiel, das ebenfalls durch unser Büro um- und mit drei zusätzlichen Geschossen ausgebaut wurde, gibt es 30 kostengünstige Künstler-Ateliers. Diese haben unter anderem die Allianz Versicherung dazu bewogen, bewusst hier ihren Think Tank anzusiedeln. Interessanterweise entstehen nun im Werksviertel auch Neubauten, die wieder auf die räumlichen Potenziale von Altbauten zurückgreifen. Bestes Beispiel ist das im Bau befindliche Werk12 von MVRDV. Wenn neue Quartiere regulär unter konventionellen Investoren-Vorstellungen geplant werden, gibt es statt einer solchen lebendigen Struktur leider meist nur eine unreflektierte Funktionsteilung.
Welche Gestaltung und welche Mischung sind für Werk4 geplant?
Die Grundidee des insgesamt 86 Meter hohen Gebäudes sind die von Sockel und Aufbau – ein klassisches Thema, gerade bei der Elbphilharmonie grandios umgesetzt. Neben dem ehemaligen Pfanni-Kartoffelsilo, das dauerhaft als Kletterhalle dienen wird, entsteht ein weiteres Gebäude mit der gleichen Form und Geometrie. In ihm wird ein Youth-Hostel mit 500 Betten einziehen. Über ihm entstehen 24 zusätzliche Stockwerke, die 16 oberen davon sind für ein hochwertiges Apartmenthotel der Adina-Gruppe vorgesehen. Unten wird das Ganze mit gewellten Blechen verkleidet, um den Industriecharakter aufzugreifen. Als Transformation des gleichen Themas versehen wir die Glasfassade im oberen Teil mit einem Vorhang aus perforierten Metall-Elementen, was für größere Transparenz sorgt.
Gibt es in München mittlerweile kein Überangebot an Zimmern? Vielerorts werden Hotels gebaut.
Bei Hostels und Long-Stay-Unterkünften in dieser Qualität gibt es weiterhin Bedarf. Ursprünglich war die Idee, nur ein Apartmenthotel einzubinden. Aber dann wurde bewusst die Mischung aus einem einfachen und gehobenen Angebot gewählt, weil sich beides gegenseitig ergänzt. Wer länger oben wohnt, wird dort Komfort und Ambiente schätzen, aber auch die lebendige Szene durch junge Leute weiter unten. Dazu kommen alle anderen Angebote im Werksviertel Mitte mit Bars, Restaurants, Clubs, Kultur, Kunst und interessanten Start-ups. Mein Vorbild war das Standard Hotel in New York, um das herum auch ein sehr lebendiges Viertel liegt.
Im Werksviertel sind außer Ihnen auch andere Architektur-Büros tätig, z.B. Cukrowicz Nachbaur Architekten ZT mit dem neuen Konzertsaal. Gibt es zwischen ihnen Gemeinsamkeiten?
Bei aller Vielfalt wird es eine gewisse Einheit über gemeinsame Materialien und stadträumliche präzise Bezüge geben. Denn ingesamt wird viel mit dem Bestand gearbeitet zwischen dem sich Neues seinen Platz suchen muss. Dabei ist das gesamte Viertel in Bewegung – ein spannender Prozess, der auch noch mit Wohnraum für 3.000 Menschen weitergehen und auch uns noch beschäftigen wird. Von 1990 bis 1998 habe ich in Berlin studiert und gearbeitet. Dort diese Zeit des Umbruchs erlebt zu haben war eine ideale Vorbereitung auf die prozesshafte Entwicklung von Stadt im Werksviertel Mitte. In meinen Augen ist es eine Chance für die Münchner Stadtplaner, sich hier nicht wieder von Investoren langweilige, repetitive Projekte auf 08/15-Niveau aufdrücken zu lassen. Werner Eckart und seinen ganz eigenen Ideen ist es zu verdanken, dass sich das Werksviertel Mitte auf diese Weise entwickeln kann.