Zeitgenössische Architektur in Bayern

Sugar Mountain - ein Riesen-Spielplatz

Ab Mai mutiert ein Betonwerk in Obersendling zum „Happening Place" für alle. Ein Interview mit Initiator Gregor Wöltje über den Reiz von Industrie-Ruinen, die Kraft des Gegenwärtigen und ein Stadtviertel im Umbruch.

Anfang 2019 hat The Lovelace seine Türen geschlossen: Ihr temporäres „Hotel Happening" hinter den Fünf Höfen. Was hat Sie seither beschäftigt, Herr Wöltje?

Wir haben weitere Hotelprojekte entwickelt, die 2020 aufgrund von Corona alle gestoppt wurden, aber in der Pipeline liegen; Verträge mit Investoren sind schon geschlossen. Ende 2019 haben wir in der ehemaligen Reithalle das UTOPIA als Ort für Hoch-, Pop-, Sub- und Unternehmenskultur aufgemacht und später auch noch die Freiheitshalle übernommen, die vorher „Freiheiz" hieß. Veranstaltungen waren in beiden Locations während der Lockdowns nicht möglich. Zum Glück konnten wir unser Team mit den Vorbereitungen für Sugar Mountain beschäftigen.

Wie kamen Sie zu diesem Zwischennutzungs-Projekt?

Wir haben nicht aktiv danach gesucht, sondern wurden – wie beim Lovelace – angesprochen, ob wir etwas mit dem ehemaligen Katzenberger Betonwerk in Obersendling anfangen könnten. Die Industrie-Ruine fanden wir wegen ihrer Dimensionen und des besonderen Ambientes spannend. Allein die beiden Tore der Haupthalle sind 15 Meter und ihre Decke 25 Meter hoch, es gibt keine Zwischenwände – gigantisch. Dazu kommen das große Außengelände und die weitere Umgebung, die gerade im Umbruch ist.

Was alles haben Sie vor Ort verändert?

Wir haben die Halle dicht gemacht und ein paar Dinge wie unschöne Graffitis zurückgebaut. Ergänzend zu dem existierenden, umlaufenden Fensterband haben wir Licht- und Tontechnik installiert. Der kaputte Hallenboden wurde absichtlich nicht repariert, sondern über ihm aus wiederverwendbaren Bühnenelementen eine Art Route durch den Raum, eine Bühne für Events und eine Publikumstribüne angelegt.

Haben die Behörden diese Konstruktion problemlos abgesegnet?

Ja, sie ist sehr stabil, sicher und liegt nur 50 Zentimeter über dem Boden. Auch brandschutztechnisch erfüllen wir alle Auflagen. Unter anderem gibt es drei neue Notausgänge.

Wie wurde das Außengelände gestaltet?

Da gibt es auf betonierten Flächen ein Skate Field, den von dem Münchner Grafikkünstler GABE gestalteten Art Yard zum Basketballspielen, einen Bereich für Table Sports wie Ping Pong, Fingerskating und Schach, eine Boulderwand, einen Box-Club, voraussichtlich einen ständigen Standort des Kinderzirkus Lilalu, einen kollektiven Biergarten und Pflanztröge aus alten Pflastersteinen. Trotzdem ist noch genug Platz, um Food Markets oder Flohmärkte zu veranstalten.

Das klingt nach vielen verschiedenen Zielgruppen?

Wir wollen explizit keine exklusive, abgeschlossene Hipster-Burg, sondern in jede Richtung offen sein. Das Gelände ist 24 Stunden zugänglich, jeder aus München und aus der Nachbarschaft ist willkommen. Wir bekommen täglich Anfragen von interessierten Vereinen, Musikern oder Foodtrucks, die den Ort gerne mitnutzen wollen.

Mussten Sie alle Ideen und Veränderungen mit der Projektentwicklungsgesellschaft Horus Sentilo abstimmen, die Eigentümerin des Grundstücks ist?

Nur im Groben, nicht kleinklein. Das hat sehr gut funktioniert, denn wir teilen die gleichen Interessen.

Wer hoch waren die Investitionen bislang?

Rund 500.000 Euro. Das Geld kam aus unserer Tasche, aber auch von Horus Sentilo und anderen Unterstützern.

Womit wird Sugar Mountain Geld verdienen?

Wir werden damit nicht reich werden. Die laufenden Kosten sollen durch Veranstaltungen und die Gastronomie gedeckt werden, die wir mit Kooperationspartnern wie dem Harry Klein übernehmen. Miete müssen wir zum Glück nicht zahlen.

Wie bei Lovelace, UTOPIA und Freiheitshalle steht ein Dreier-Team hinter Sugar Mountain. Wie teilen Sie die Aufgaben mit Ihren beiden Partnern Michi Kern und Lissie Kieser?

Jeder hat seinen Schwerpunkt. Michi Kern ist Geschäftsführer und Dreh- und Angelpunkt, weil er aus Erfahrung genau weiß, wie man solch ungewöhnliche Betriebe führt. Lissie Kieser organisiert das Kulturprogramm. Ich kümmere mich um Konzept, Kommunikation und architektonische Dinge. Den Plan für Sugar Mountain haben wir im Team erstellt, die Eingaben wurden durch andere Architekten übernommen. Denn ich habe zwar Architektur studiert, bin aber nicht in der Rolle eingetragen. Der Name Sugar Mountain stammt übrigens aus einem Song von Neil Young und stand auf unserer Liste für potentielle Projekte. Jetzt ist das passende da.

Was bedeutet Sugar Mountain für Sie?

Das Projekt ist ein Riesen-Spielplatz, wo wir uns in ganz neuen Dimensionen ausprobieren können. Idealerweise entsteht ein Ort, an dem es – wie im Lovelace – an verschiedenen Ecken brummt. „The Happening Place" Sugar Mountain gehört allen.

Gibt es schon einen fixen Eröffnungstermin?

Die große Halle und das Außengelände sind startklar. Ob und wann es ein Opening Festival geben wird, hängt von den Corona-Auflagen ab. Aber zumindest im Außenbereich müsste schnell etwas möglich sein. Wir eröffnen stückweise und nacheinander die Bereiche.

Ist es nicht schade, wenn nach nur zwei Jahren 2023 wieder alles vorbei sein wird?

Schon. Aber Zwischennutzungen haben ihren Reiz und eine eigene Spannung, weil das Gegenwärtige viel mehr zählt als bei dauerhaften Projekten. Am Ende muss man loslassen können. In diesem Fall wird es aber im Rahmen der Neubebauung mit einem anderen Ort für Kultur weitergehen, den wir in Absprache mit Horus Sentilo gestalten.

Wird sich diese Gegend von München auch durch Sugar Mountain verändern?

Im Südwesten ist gerade viel in Bewegung: Erst eröffnen wir im Herbst das Volkstheater im Schlachthof, danach das Interimsquartier des Gasteig an der Hans-Preißinger-Straße 4-8. Langfristig entsteht nach dem Abriss von Sugar Mountain ein modernes Quartier, bei dem wohl auch hochkarätige Architekten eingebunden werden.

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