Zeitgenössische Architektur in Bayern

Zwischennutzung von Immobilien in München


Inszenierung am Isartor

Das Wetter hat gepasst, die Location im Innenhof des Isartors eigentlich auch - allein der Zeitpunkt war mit 12.30 Uhr am vergangenen Freitag leider nicht allzu günstig gewählt: So kam nur ein recht kleines Häuflein Interessierter dazu, im Kulturbiergarten 851 die spannende Podiumsdiskussion zum Thema „Zwischennutzung von Immobilien in München" zu verfolgen.

Auf dem Podium: Regine Geibel (BE URBAN), Ulrike Bührlen und Marco Böhlandt (die urbanauten) und Robert K. Huber (zukunftsgeraeusche). Eine gute Mischung, haben doch durchaus alle Beteiligten schon reichlich Erfahrung damit gemacht, wie schwierig es ist, von privaten oder auch öffentlichen Eigentümern interessante Locations für temporäre Kunst- oder Kulturprojekte „auszuleihen" bzw. solche Orte überhaupt erst zu finden.

In Berlin gang und gäbe, wie Moderator Marold Langer Philippsen von Radio Erevan weiß, blüht eine eigenständige Kultur in Sachen sinnvoller Zwischennutzung vorübergehend leer stehender Immobilien. In der Ursachensuche taten sich diverse Gründe auf, warum in München nicht geht, was in anderen deutschen Städten (angeblich) erheblich leichter möglich ist. Da wäre zum einen sicher die Tatsache, dass Eigentümer einen Leerstand lieber nicht an die große Glocke hängen, um den Ruf und Wert einer Immobilie für spätere potentielle Langfrist-Mieter nicht zu schmälern, zum anderen generelle Berührungsängste (frei nach den altbewährten Vorurteilen, dass man langhaarige, laute und potentiell subversive Künstler zwar als Bestandteil gelebter urbaner Kultur durchaus gerne sieht, aber bittschön nicht im eigenen Haus...). Da helfen auch Argumente wie von Robert K. Huber nicht, „dass wir eigentlich alle Zwischennutzer sind, weil nach 80 oder 90 Jahren eh Schluss ist...".

Dabei ist Zwischennutzung - zumindest, was den gewerblichen Bereich anlangt - durchaus Usus in München, man denke nur an die gesamten Restposten- und 1-Euro-Shops, die überall in der Stadt immer mal wieder auftauchen und auch meist ebenso schnell wieder verschwinden. Dergleichen auch für kulturelle Aktivitäten möglich zu machen, wäre laut Ulrike Bührlen von den urbanauten, die viel Erfahrung in der Richtung gesammelt haben, gar nicht so schwierig: Es gibt durchaus juristische Grundlagen, die sowohl für Eigentümer wie für Zwischennutzer hundertprozentig wasserdicht definieren, für welche Zeit und welche Zwecke der entsprechende Ort genutzt werden darf.

Und letztlich geht's nicht allein darum, einer blühenden Subkultur, die jede Stadt erst zum urbanen und lebendigen Revier macht, Raum zu bieten. Im Gegenzug können die Stadt bzw. Eigentümer einzelner Immobilien genauso profitieren: Die Chance, den Esprit aus der Zeit einer Zwischennutzung in spätere Projekte vor Ort zu transferieren, ist nicht zu unterschätzen. Ein Beispiel: die Kunstprojekte Riem, die die Stadt ins Leben rief, nachdem Hallenguru Wolfgang Nöth den alten Münchner Flughafen bis zur Neubebauung mit Leben befüllt hatte und (mal wieder) allen gezeigt hatte, wie sich Subkultur auch positiv etablieren kann.

Dass die Stadtverwaltung mal mehr und mal weniger zugänglich für Projekte dieser Art ist, ist laut den urbanauten durchaus personen- bzw. referatsabhängig. Dass gerade die urbanauten mit dem Kulturstrand, aber auch zukunftsgeraeusche, die z.B. die alten Häuschen aus dem Olympiadorf an verschiedenen Standorten in der Stadt untergebracht bekamen, erfolgreich in der Zwischennutzung öffentlicher Räume sein können, ist klar. Dennoch: Die Verfahren sind oft zäh. Ein Beamter meinet mal: "die Hürde müsste man hoch legen, schliesslich solle man sich so etwas verdienen..."

Fazit Der Wunsch nach einer koordinierenden Stelle, die mögliche Räumlichkeiten, auch öffentlicher Natur, sozusagen an die kunst- und kulturschaffenden Raumbedürftigen vermittelt, ist durchaus formuliert. In erster Linie sollte hier die Kommunikation zwischen allen Beteiligten gefördert bzw. erstmal hergestellt werden, um so die Vernetzung voranzutreiben.

Die Stadt könnte mit gutem Beispiel vorangehen und durch geäußerte Wertschätzung für bislang gelungene Aktivitäten und Aktionen als gutes Vorbild für private Besitzer stehen. Denn eine Stadt, die es sich sogar leistet, über das Wirtschaftsreferat eine Studie zum „Standortfaktor Kreativität" in Auftrag zu geben und in dieser deutlicht macht, wie wichtig die Kreativität für das Image einer Stadt ist, sollte sich der praktischen Umsetzung gegenüber auf keinen Fall verschließen.

Aber wie immer, die Hoffnung auf Besserung bzw. Änderung stirbt zuletzt - adäquat der Schlusssatz von Urbanaut Marko Böhlandt: „Ich glaube an München - wir müssen nur weiter Gutes tun und darüber reden!"

- Nina Shell

HIER können Sie den Artikel aus der AZ über den Leerstand in München herunterladen.