Zeitgenössische Architektur in Bayern

Die Wunschliste von Prof. Sophie Wolfrum

Prof. Dr. Sophie Wolfrum Prof. Dr. Sophie Wolfrum

Ein Gespräch mit Prof. Sophie Wolfrum über neue Masterstudiengänge an der TU, die Chancen des Siemens-Neubaus und das Schachspielen auf dem Kunstareal.

Prof. Dipl.-Ing. Sophie Wolfrum arbeitete in den 1990er Jahren als Gastprofessorin an der GH Kassel, bevor Sie 2003 den Lehrstuhl für Städtebau und Regionalplanung an der TU München, übernahm. Sie ist Mitglied des SRL und der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung. Sie wurde unter anderem mit dem Deutschen Städtebaupreis und dem Hugo Häring Preis, ausgezeichnet.

Regine Geibel:
Die Fakultät für Architektur bietet seit kurzem neben dem klassischen Architekturstudium neue Masterstudiengänge wie Urbanistik, Clima Design, Landschaftsarchitektur, Advanced Construction and Building Technology an. Diese Studiengänge dienen zur praxisorientierten Vertiefung und Erweiterung der Architektenausbildung. Was hat es mit diesen Masterstudiengängen auf sich, Frau Wolfrum?

Prof. Wolfrum:
Sie haben das Ziel, die Lücken zwischen den umfangreichen Disziplinen der Architektur, Stadt und Raumplanung zu schließen und zudem auf aktuelle Herausforderungen (z.B. Clima Design, Transformation der Städte) einzugehen. Durch diese Art der Studiengänge wächst eine ganz neue Generation an Architekten heran, deren Qualifikation für spätere Arbeitgeber ein interessantes Einstellungskriterium darstellen kann. Diese Architekten haben dann auch in Bezug auf städtebauliche Themen ein fundiertes Wissen.

Geht es also grundsätzlich um eine Disziplin übergreifende Kompetenz, die man durch so einen Studiengang erreichen kann?
Ja, denn in einer normalen Architektenausbildung beschäftigt sich kaum einer intensiv mit zum Beispiel Planungsrecht oder mit Planungsmethoden. Für uns ist es ein Ziel, Architekten oder aber auch Studenten anderer Raumdisziplinen dahingehend weiter auszubilden. Wir glauben, dass das in der Gesellschaft notwendig ist und dass architektonische Planung im großen Maßstab, also mit der Verknüpfung zur Stadt- und Raumplanung, unterrepräsentiert ist.

Allgemein gilt München als eine „schöne Stadt“ und das ist nicht von alleine gekommen, sondern weil es starke Architekten gab, die hier gewirkt haben. Und wenn man das auch zukünftig so haben möchte, und nicht einfach dem Zufall der einzelnen Bauprojekte überlassen möchte, muss man in diesem Maßstab konzeptionell stark sein. Hier gibt es meiner Auffassung nach Nachholbedarf.

Trägt man eine Verpflichtung, mit dem Erbe gut umzugehen?
Ja, natürlich. Barcelona ist ein gutes Beispiel: als dort die Franko-Zeit vorbei war und eine echte Aufbruchstimmung herrschte, haben die Architekten intensiv und konzeptionell an dieser Stadt weitergearbeitet und Barcelona somit auf die internationale Landkarte gehoben.

Durch den Neubau des Siemens Headquaters ergibt sich nun endlich die Chance die allseits gewünschte Anbindung bzw. die stärkere Achse zwischen Altstadt und Kunstareal herzustellen. Was ist Ihre Einschätzung dazu?
Es gibt dazu mehrere Entwicklungen: die eine ist das Siemens Headquater, die andere ist, dass der Tunnel aus Brandschutzgründen überarbeitet werden muss. Somit wird vielleicht auch der Tunnelmund überarbeitet. Wir haben jetzt zwei Jahre lang an diesem Lehrstuhl für das Kunstareal Projekt gearbeitet. Nun ist das Projekt in die kontinuierliche Arbeit der verschiedenen Institutionen übergeben. Eine meiner Mitarbeiterinnen hat eine befristete Stelle beim Freistaat Bayern bekommen, um das Projekt weiter zu moderieren, anzuschieben und zu begleiten.

Wie gefällt Ihnen der erste Preis für den Siemens-Neubau? Was halten Sie von dem Entwurf von Hennig Larsen Architects?
Hennig Larsen ist ein gutes Architekturbüro und mit den Mitarbeitern – es gibt einige, die schon nach München gezogen sind – haben wir auch Kontakt. Im Juni machen wir mit ihnen und unseren Studenten einen Workshop. Dabei soll es um die Schnittstelle Altstadtring gehen, um in dem Bereich ein wenig visionärer zu arbeiten. Die Larsen-Mitarbeiter haben Lust, den Kontakt der Baustelle aus Ihrem Bereich mit dem Areal aufzunehmen. Wir sind einer der Kontaktpartner und werden die Ergebnisse in einer Ausstellung in der Architekturgalerie präsentieren.

Gibt es denn die Chance, den Tunnel weiterzuführen, sodass der gewünschte Platz zwischen beiden Arealen Autofrei wäre?
Nein, die gibt es nicht. Der Tunnel wird weiterhin dort raus kommen, aber das Straßenpaket wird schmäler geführt werden, sodass die Eintrittsflächen für die Fußgänger breiter werden. Denn hier liegt ja das Haupt-Dilemma: man kommt als Fußgänger dort ja kaum durch.

Erstens kommt man kaum durch und zweitens denkt man, das kann nicht der richtige Weg sein, den ich hier gewählt habe, oder?
Genau, und die Unterführung möchte man ja auch nicht nehmen, die ist unangenehm. Leider laufen solche Planungen sehr langsam, ich bin da ein bisschen ungeduldig, aber es läuft schon. Man muss nur sehen, dass auch die HFF letztes Jahr eröffnet wurde, nächste Jahr das Ägyptische Museum, übernächstes Jahr das NS- Dokumentationszentrum, dann das Lenbachhaus. Eigentlich gibt es jedes Jahr eine große Eröffnung. Das Brandhorst Museum ist ja auch noch relativ jung. Es geht immer weiter und es passiert ständig etwas. Bloß geht es einem nie schnell genug, weil ja auch noch so viel zu tun ist. Also der große Wurf, bei dem mit einem Schlag alles fertig ist, wird nicht kommen, aber man wird sich sukzessiv voran arbeiten.

Wie finden Sie den Siegerentwurf für die Beschilderung des Kunstareals? Wäre das auch Ihre erste Wahl gewesen?
Eindeutig! Ich finde Thomas Mayfried einfach super und glaube dass er auch der richtige Partner in diesem Kulturbereich ist, um das Projekt immer weiter zu entwickeln.

Was wäre denn Ihr größter Wunsch, was das Areal anbelangt?
Ich hab da mehrere Wünsche: Der erste Wunsch ist, den Verkehr stark zu verlangsamen und die Parkierung herauszunehmen. Ich weiß nicht, warum das Areal als Überlaufgebiet für Schwabing und die Maxvorstadt ausgewiesen ist. Man sollte doch die Autos nicht vor den Museen abstellen. Ich würde mir noch ein wenig mehr Zug von der Stadt in Hinblick auf die Verkehrsthematik wünschen.

Dann wünsche ich mir einen Freiflächen-Wettbewerb, damit die Freiflächen und Gärten des Areals eine gute Konzeption bekommen, in die man hinein pflegen kann.

Dann wünsche ich mir noch den zweiten Bauabschnitt der Pinakothek der Moderne, damit die Graphische Sammlung dort einziehen kann. Und ich wünsche mir den Abriss oder Umbau der alten Mensa, zu Gunsten eines „Open Art"-Stützpunktes, etwas ganz offenes wie eine Werkstatt etwa. Die Studenten sollten eher Essensmarken bekommen und die Kultur der kleinen Wirtschaften ringsum nutzen und anheizen.

Sollte der zweite Bauabschnitt der PDM nur für die Graphische Sammlung entstehen, oder sind Sie der Meinung, dass er wichtig für besagte Verbindung zwischen Altstadt und Kunstareal wäre?
Doch, dafür ist er unbedingt wichtig! Wobei er im Erdgeschoss auch so etwas wie ein „Open House" haben sollte, das auch für das ganze Kunstareal eine Anlaufstelle sein könnte.

Hat diese Art der Mantelbebauung bei der PDM nicht etwas abweisendes ?
Ja, sie muss an der Stelle eben auch ein Botschafter sein.

Mit einer riesigen Öffnung?
Mit einem guten Erdgeschoss, das offen ist und publikumswirksame Dinge beinhaltet. Aber mir ist bei dieser ganzen Arbeit am Kunstareal deutlich geworden, dass man sich nicht nur auf diese eine Ecke fokussieren sollte, denn es gibt auch andere gute Verbindungen in die Stadt.

Welche sind das?
Schauen Sie sich die Arcisstraße an bzw. Katharina von Bora Straße weiter südlich. Die landet im Parkcafé und im alten Botanischen Garten. Den Botanischen Garten sieht man auch vom Bahnhof aus. Also könnte man von dort aus die Arcisstraße bis zum Kunstareal hoch laufen. Angenommen natürlich, sie bekäme breitere, schönere Bürgersteige und weniger Stellplätze. An dieser Straße befinden sich wichtige Institutionen: das Haus der Kulturen, das Institut für Kunstgeschichte, die Graphische Sammlung, der Königsplatz, die TU, die alte und die neue Pinkothek usw.

Die Arcisstraße wäre also die Nord-Süd-Achse und die Briennerstraße die Ost-West-Verbindung, die zum Odeonsplatz führt. Beide wären also sinnvoll?
Genau, das ist ja der Witz an diesem Areal, es ist wie ein Schachbrett und ein Schachbrett hat viele Zugänge und der Läufer, der Springer oder die Dame gehen auch diagonal.

Vielen Dank für das Gespräch!

Regine Geibel

„Neben meiner redaktionellen Tätigkeit plane ich unter dem Namen STUDIO REGINE GEIBEL ökologische Holzhäuser im Alpenraum und Ferienhäuser in Südeuropa; unter dem Namen 8 SENSES berate ich - zusammen mit Maren Boettcher - Hotels bzgl. Design-Refresh, Usability, Akustik, Beleuchtung“

Regine Geibel

Gründerin und Chefredakteurin